: Unterm Strich
Junge Deutsche haben besonders liberale Ansichten zum Thema Sex, sie sind weniger religiös, aber – und das stimmt uns doch äußerst nachdenklich – sie sind auch weniger glücklich als Gleichaltrige anderer Länder. Das belegt in gnadenloser Genauigkeit eine jetzt veröffentlichte Studie des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Yankelowich Partners. Den 84 Prozent der Deutschen, die sich einigermaßen oder sehr glücklich fühlen, stehen 99 Prozent glückliche Holländer, 96 Prozent gut gestimmte Schweden und immerhin 95 Prozent lebensentspannte Japaner gegenüber. Die Studie vergleicht nicht weniger als „Lebensstil, Konsum- und Medienverhalten, Meinungen und Ängste der Jugend“ der bisher bekannten westlichen Welt. Die Ergebnisse basieren auf 3.500 Befragungen von sechs- bis 34jährigen in den sieben Ländern. Warum ausgerechnet die wohlstandsverwöhnten Nach-Adenauer-Kinder, trotz Lego-Sozialisation und Kinderladen-Training, dem Glück um so vieles ferner liegen als alle unsere Nachbarn, erklären die Meinungsforscher aus Übersee leider nicht. Allerdings stellte Yankelowich-Präsident Jim Taylor etwas klar, das uns, die wir nicht nur aufgrund unseres Geburtsdatums exakt in die Stichprobe passen, sondern auch gelegentlich den Wecker auf 4.30 Uhr stellen, um noch einmal „Lassie“ über den Pro7-Bildschirm rennen zu sehen, schon irgendwie schwante: „Dies ist die erste Generation, die von der frühesten Kindheit an dem Fernsehen ausgesetzt war. Mehr als jedes andere Medium hat das Fernsehen ihre Meinungen und ihr Konsumverhalten beeinflußt.“ Verängstigt schalten wir nach dieser Meldung den Fernseher also heute bereits um 4.55 Uhr aus, verkneifen uns die täglichen 20 Minuten „Flipper“ und auch „Bonanza“ um halb elf auf Sat.1, um heute einmal das Glück mit dem soliden ARD-Frühstücksfernsehen herauszufordern. Dort allerdings werden wir sogleich mit einer Nachricht konfrontiert, die uns erneut aus dem soeben errungenen glückseligen Gleichgewicht bringt: „Mode-Plagiate haben Konjunktur.“ Immer geschickter drängen die Konsum- Fälscher auf den hart umkämpften Markt, mischen Echtes mit Falschem – und drücken damit nicht nur die Gewinnspannen der klagenden Marken-Konzerne, sondern auch unsere gute Laune. Schon wieder Essig mit dem Jeans-Gefühl.
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