piwik no script img

Unterm Strich

Was die Bonner Parlamentarier schon seit 20 Jahren dem Verpackungskünstler Christo verweigern, ist in Köln bereits beschlossene Sache: Dem Vorbild des ummantelten Triumphbogens in Paris folgend, soll der gotische Ratsturm während seiner einjährigen Renovierungszeit verhüllt werden. Doch so richtig verstanden hat man das Konzept des in Amerika lebenden bulgarischen Künstlers wohl nicht. Wie die Stadt am Freitag mitteilte, sollen mit der Turmfassade bunt bedruckte Tücher statt eintöniger Planen das Baugerüst verbergen. Nun ist zum einen aber gerade die Monochromie ein bevorzugtes Markenzeichen von Christos Verhüllungskunst – und außerdem will der Mann mit seinen Aktionen gar nichts verbergen, sondern vielmehr die besondere Form der Bauten durch das luftige Stoffkleid hervorheben. Auch in Sachen Finanzierung scheiden sich die Geister: Angesichts knapper Stadtkassen werden Sponsoren für die Kölner Aktion gesucht. Cristo zahlt seine Späßeken jedoch grundsätzlich aus eigener Tasche.

Die Stadt Lübeck dagegen verbirgt ihr derzeitiges Großbauvorhaben nicht – sie macht daraus ein lautstarkes Spektakel. Auf der Baustelle der künftigen Musik- und Kongreßhalle Lübeck durften Freitag abend etwa 800 Musikfans einem Konzert des NDR-Sinfonie-Orchesters in dem erst halbfertigen Kammermusiksaal beiwohnen. Zwischen Gipssäcken, Ytong- Steinen und (wahrscheinlich) leeren Bierkästen wurde neben Anton Dvorak und Johannes Brahms das Vorspiel zu Richard Wagners „Die Meistersänger“ gegeben. Man kann sich ziemlich lebhaft ausmalen, wie die Sänger und Sängerinnen in voller Arbeitsmontur, Schutzhelm und Maurerkelle inklusive, gegen den Lärm der Mischmaschinen angeschrien haben. Es war ein „einmaliges Happening“, so zumindest der Orchestersprecher. Aber der mußte ja auch nicht singen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen