Unterm Strich

Wagemutiger verhält sich die gerade aus der Taufe gehobene Komödie Marzahn. Sie tourt mit einem Boulevardstück durch Brandenburg, das eigentlich in New York spielt und dummerweise „Anfängerpech“ betitelt ist. Das Echo im Osten scheint die Truppe zu bestärken: Frankfurt/Oder, Eisenhüttenstadt, Luckau oder Hennigsdorf wurden bereits erfolgreich bereist: „Dort, wo wir eine Spielstätte finden können, treten wir auf“, so die Strategie des Regisseurs Norbert Jachmann, der sich 1970 in der DDR als Spielleiter selbständig machte. Das Stück spricht für sich: Während ein Chef um die Liebesgunst seiner Sekretärin wirbt, taucht plötzlich als Nebenbuhler ihr Ex- Mann auf, und die heiteren Szenen können beginnen.

Schon zu rund 80 Prozent ausverkauft ist das diesjährige Bach-Fest, das erstmals seit 1989 in Leipzig stattfindet. Die Veranstaltungsreihe, zu der die 1900 gegründete Bach-Gesellschaft eingeladen hat, wird von 79 Gesangs- und Instrumentalsolisten sowie 43 Orchestern, Chören und Kammermusikensembles aus Großbritannien, Polen, Litauen und Deutschland gestaltet. Von einem Schubertschen Unisono der Geigen soll also stimmungstechnisch gar keine Rede sein, und auch die Chöre klingen je nach konfessioneller Couleur zu Ostern recht freischwebend zwischen heiter und wolkig. Doch da müßten eben alle vor dem Geist über den vom Eise befreiten Wassern zurückstecken können, meint zumindest der Vorsitzende der Neuen Bach-Gesellschaft, der Theologe Martin Petzoldt. Schließlich habe man den Zeitraum um Ostern für das allgemeine Gesinge anstelle des familiären Eiersuchens bewußt gewählt, um der Tatsache Rechnung zu tragen, daß Bach bei seinen Werken schon immer besonderes Gewicht auf die Kar- und Osterzeit gelegt habe. Um das sangesfreudige Volk aber nicht ganz mit dem Ballast aus verquaster Kirchentradition und Musikereitelkeit zuzumüllen, fügte Petzoldt hinzu, wie gut sich Bach an Ostern auch mit Dir und Mir vertragen würde, und überhaupt habe Passion und Ostern gerade in einer „vom ökologischen Tod bedrohten Welt“ auch außerhalb der Kirche eine wichtige Bedeutung.

Recht elegant zog sich das Mannheimer Nationaltheater aus der Affäre zur Opernpremiere von Giuseppe Verdis „La Traviata“. Ihrem Tenor Scott Mac Allister war zum Ende des ersten Aktes die Stimme weggeblieben. Was dann geschah, wollen wir wohlwollend als Kuriosität führen, auch wenn uns in der Tiefe mehr dostojewskische „Doppelgänger“-Qualen berühren: Im Publikum saß Igor Filipovic, seines Zeichens nicht nur selbst singender Tenor, sondern auch mit Text und Rolle wohl vertraut – Säufer-Arie inklusive. Spontan soll er die Geschichte zu Ende gesungen haben, während der verwirrte Mac Allister bloß stumm zum Sound des anderen agierte. Und dem Publikum gefiel's auch noch sehr gut.