piwik no script img

Unterm Strich

György Ligeti hat in einem offenen Brief an Eberhard Diepgen gegen die vom Berliner Senat beschlossene und für Ende 1995 geplante Schließung des Internationalen Instituts für Traditionelle Musik protestiert. „Scheinbar“, schreibt Ligeti, „ist die Musikethnologie ein marginaler Bereich, und sie besitzt keine politische Macht. Doch wer in kulturellen Dingen Mehrheitsverhältnisse beachtet, ist von grandioser Ignoranz. Das Berliner Musikinstitut ist im Bereich der Musikethnologie international führend, im deutschen Sprachgebiet einzigartig, hat hervorragende Mitarbeiter, wuchs über drei Jahrzehnte kontinuierlich und organisch. Entsprechende Institute gibt es in Paris, London und Washington. Diese kulturelle Kontinuität zu durchschneiden ist unverantwortlich und barbarisch.“ Ligeti fordert Diepgen auf, „die törichte Entscheidung Ihrer Kulturbehörde“ rückgängig zu machen, bevor „unheilbarer Schaden“ entsteht.

Unheilbaren Schaden verursacht zu haben, will auch die Süddeutsche Zeitung nicht auf sich sitzen lassen. Empört weist Herr Jürgen „J.B.“ Busche in der Dienstagsausgabe alle Vorwürfe zurück, er habe seinen neuen Handke zu schnell gelesen. So wiederum mag es in Willi Winklers Rezensenten-Rezension der taz vom Samstag gestanden haben. Busche kontert grimm, daß es seine Pflicht als Informant der interessierten Öffentlichkeit sei, möglichst rasch – nämlich 56 Stunden nach der Manuskriptübergabe – zu würdigen, was Handke über Jahre auf 1.000 und noch mehr Seiten zusammengetragen hat, „weil sich sonst leicht Vorstellungen über das Neue verfestigen, die nur noch schwer zu korrigieren sind, wenn das Neue nicht mehr neu ist“. Ein angenehm mühevolles Vor-Aufgekläre also, Literaturkritik in Futur II? Busche wähnt sich mit seinem extra polierten Habermas-Turbo in der Tasche völlig modern und im Recht und wirft Winkler zurück in den Topf aller bloß feudalherrschaftlichen Text-Beischläfer einer dann tatsächlichen Voraufklärung – Männer, die geschriebene Kunst bloß lieben können, wo andere doch etwas wissen wollen. Lessing bewahre, aber dies war eigentlich gar nicht Willi Winklers Punkt. Der wollte doch bloß sagen, wie schön die Betriebsamkeit des Herrn Busche in die Verlags- und Werbepolitik von Suhrkamp hineinspielt: Die schnell vorgeschaltete Kritik als Avantgarde ihrer praktischen Zitierbarkeit im Anzeigengeschäft. So wild kann's zugehen im Betriebssystem Literatur.

Der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa ist am Montag für sein Gesamtwerk mit dem Miguel- de-Cervantes-Preis ausgezeichnet worden. Diese wichtigste Auszeichnung für Literatur in spanischer Sprache ist mit 15 Millionen Pesetas (181.500 Mark!) dotiert. Vargsa Llosa nahm 1993 die spanische Staatsbürgerschaft an und lebt derzeit in London, wo er auch als Essayist und Journalist tätig ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen