: Unterm Strich
Unglaublich! Schmierentheater! Kampagnenjournalismus gegen den Volksschauspieler Harald Juhnke! Jeden Tag BZ- und Bild-Fotoaufmacher mit einem leicht angeschlagenen, höchstens ein ganz klein wenig beschwipsten Juhnke, der dem Volk nur zuprosten will – so kurz vor dem Jahreswechsel. Doch die BZ textet in Fettdruck menschenverachtend „Harald, bitte hör auf!“, behauptet dreist, Juhnke würde „mit dem Bettzipfel kuscheln“ und läßt einen Weißkittel von der Ärztekammer zu Wort kommen: „Juhnke, der großartige Schauspieler, hält uns einen Spiegel vor. Wenn wir reinsehen, erblicken wir eine süchtige Gesellschaft. Die erbarmungslos ist. Sich teilweise auch noch an Haralds Schwächen weidet. Nur um damit die eigene Problematik vorübergehend zu verdrängen.“ So also spricht der Grüne als Arzt, derweil Juhnke mit Entzug bedroht wird. Aber, halt durch Harald, Verdrängen hat noch keinem geschadet. Denk an all die anderen Pappenheimer, an den halbjecken Zimmermann beim Karneval, oder an Kohl, der hart am Weißherbst unter Oggersheimer Eichen zecht. Und Lummer, weißt du noch, im Weddinger Hertha-Stützpunkt mit der Molle damals zur WM... Ist der Mensch denn schlecht, bloß weil er zum Fototermin Aecht Patzenhofer statt Beuteltee wegfrühstückt? Dabei sind die redaktionellen Zusammenhänge ein schlagender Beweis für die Vortäuschung falscher Betrunkenheit. Direkt der Seite gegenüber, die Juhnkes Verfall dokumentiert, wirbt Getränke-Hoffmann mit „Viel Spaß am Durst!“. Der Trinker und sein Doppel. Harald Juhnke aber ist vielleicht das letzte Individuum, das ungebrochen solche schönen Sätze sagen kann wie: „Ich habe mir nie den Weichmacher Existenzangst ins Mundspülwasser geschüttet. Und ich habe ihn mir auch nicht reinschütten lassen.“ Das alles zeigt klar: Die Vorwürfe sind absurd, der beliebte Entertainer und souveräne Boulevard-Schauspieler kann noch immer ohne fremde Hilfe puren Wodka aus der Flasche trinken. Und daß Harald Juhnke auf dem Höhepunkt des Exzesses seinem Sohn Oliver nicht in die Klinik folgen mag, überlassen wir dem Psychiater. Statt dessen glauben wir ihm gerne, daß er wie Dean Martin bis in den Tod hinein saufen will. Menschen mit solcherlei Begehr werden in Rußland Todestrinker genannt – und gelten dort als heilig.
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