: Unterm Strich
Klarstellende Worte der Initiative von Autoren und Verlegern gegen die Verleihung des Friedenspreises an Annemarie Schimmel: „Der Börsenverein behauptet, die ,zentrale Beweisführung‘ unseres Briefes beruhe auf dem Zitat aus ,Und Mohammed ist sein Prophet‘, in dem Annemarie Schimmel die Fatwa rechtfertigt. Genau dieses Zitat aber sei in Wahrheit aus dem Jahre 1981 und stehe ,in keinem Zusammenhang mit dem Todesurteil gegen Salman Rushdie‘. Richtig ist, daß die den Kritikern vorgeworfene Manipulation leider von den Befürwortern von Frau Prof. Schimmel vorgenommen wird. Das angeblich schon 1981 veröffentlichte Zitat zur Fatwa erschien erst in der 1989 aktualisierten zweiten Auflage von ,Und Mohammed ist sein Prophet‘, und zwar unter dem Titel ,Aus gegebenem Anlaß‘. Das Zitat lautet im Original: ,Wer im Frühjahr 1989 die Zeitungsveröffentlichungen verfolgte, die sich mit Salman Rushdies ,Satanischen Versen‘ befaßten, bemerkte, daß kaum je der Grund für die Empörung nicht nur Ayatullah Khomeinis und weiter muslimischer Kreise richtig verstanden wurde: Beleidigung des Propheten ist seit Jahrhunderten nach den meisten islamischen Rechtsschulen ein todeswürdiges Verbrechen. Man flüchtete in formalistische Argumente, in denen historische Fakten dargelegt wurden, oder, in den meisten Fällen, in eine Verteidigung der ,Redefreiheit‘‘. Allein diese Äußerung würde übrigens Annemarie Schimmel schon als Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels disqualifizieren.“ Ganz genau: Das ist der springende Punkt. Wer die Redefreiheit in Anführungszeichen setzt, darf diesen Preis nicht erhalten, wieviel auch immer sein Lebenswerk wert sein mag. Der Friedenspreis wird nicht für allgemeine Verdienste vergeben, sondern für Bemühungen um die Verständigung der Kulturen. Man muß Frau Schimmel nicht einmal nachzuweisen versuchen, sie befürworte, wie direkt oder indirekt auch immer, den Mordaufruf gegen Rushdie. In der Situation von 1989 wäre es auch die Aufgabe einer großen Gelehrten wie Annemarie Schimmel gewesen, bei ihren islamischen Gesprächspartnern, die sie respektieren, um Verständnis für eben jene Redefreiheit zu werben, deren Kind Rushdies Roman und sein zentrales Mittel, die Ironie, sind. Daß Schimmel Rushdies Roman nicht mag, ist ihre Sache. Das darf aber nicht die Folge haben, daß betreffende Werk von der Redefreiheit auszunehmen. Das Beharren auf Redefreiheit anläßlich des Falles Rushdie kann Schimmel sich offensichtlich nur als „Flucht“ vor der Wahrheit der traditionellen Auslegung der Prophetenbeleidigung durch verschiedene islamische Rechtsschulen erklären. Welche Verkennung der Lage! Auf Redefreiheit um jeden Preis zu bestehen, mag „unser Fundamentalismus“ sein, wie gelehrte Relativisten jetzt sagen. Aber ohne sie können wir nicht einmal über ihre Grenzen streiten.
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