: Unterm Strich
Was vom Tage übrig blieb: Marcel Reich- Ranicki will bis Februar 1997 eine etwa vierhundert Seiten starke Autobiographie über sein Leben abschließen. Das kündigte er am Montag abend beim Forum „Treffpunkt Saarland“ der „Saarbrücker Zeitung“ an. Thomas Mann und Dostojewski hätten ihn als Autor selbst am meisten geprägt, sagte Reich-Ranicki. Zu den Auseinandersetzungen mit Günter Grass wegen dessen Roman „Ein weites Feld“ meinte der Kritiker, er sei jederzeit bereit, dem Schriftsteller die Hand zu reichen. „Ich bin nicht für die ,Spiegel‘-Titelbilder verantwortlich“, sagte Marcel Reich-Ranicki.
Die Münchner Philharmoniker befinden sich in der schwersten Krise ihrer Nachkriegsgeschichte. In diese Lage hat sie, so weiß dpa, ausgerechnet jener Mann gebracht, dem sie den Ruf als eines der besten Orchester verdanken: Sergiu Celibidache, Star unter den großen alten Dirigenten. Seit zwei Jahren schwer herzkrank und nach einem Oberschenkelhalsbruch zusätzlich gehbehindert, macht Celi, wie ihn seine dpa liebevoll nennt, mehr Schlagzeilen durch Absagen als durch spektakuläre Auftritte.
Am letzten Freitag erreichte ein Fax die Münchner Zeitungen, daß bis Mittwoch erneut vier Konzerte ohne den Dirigenten am Pult über das Podium gehen müssen. Der Chefdirigent auf Lebenszeit war tags zuvor mit hohem Fieber in eine Münchner Klinik eingeliefert worden. Für ihn sprang über Nacht der junge, international völlig unbekannte Berliner Staatsopern-Kapellmeister Asher Fisch ein. Mancher Abonnent gab seine Karte zurück (kennen wir, darf man sich nicht von kirre machen lassen), andere nahmen's gelassen oder äußerten Verständnis für die Probleme des in München hochverehrten Maestros.
Auf immer weniger Verständnis kann „Celi“ dagegen bei seinen eigenen Musikern hoffen. Zwar ist die offizielle Lesart noch immer „Wir sind dankbar für jedes Konzert mit dem Maestro“ (kennen wir nicht so), wie es Orchestersprecher Wolfgang Stingl ausdrückt. Doch intern wächst der Unmut über die ständigen Absagen, die auch am internationalen Renommee des Orchesters kratzen. Zuletzt waren die Philharmoniker Anfang 1995 auf Tournee mit ihrem Chef, weitere Gastspiele unter seiner Leitung sind wegen dessen schwerer Krankheit nicht mehr eingeplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen