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Unterm Strich

Die politisch wie historisch suspekte Darstellung der Nazizeit durch den Göttinger Studienrat Karlheinz Weißmann ist vom Ullstein Verlag aus dem Programm seiner „Propyläen Geschichte Deutschlands“ (PGD) genommen worden. Nachdem auch der Vertrag mit dem Politikwissenschaftler Eckhard Jesse (Technische Universität Chemnitz) gelöscht wurde, der den noch ausstehenden zehnten Band über die deutsche Nachkriegsgeschichte schreiben sollte, ist nun der Weg frei für die Fortsetzung der Reihe gemäß dem Plan des ursprünglichen Herausgeberkreises um Dieter Groh. Der Konstanzer Geschichtswissenschaftler wird gemeinsam mit Ullstein-Verleger Wolfram Göbel in vier Wochen für beide Bände neue Autoren benennen. Das neue Werk über die NS-Zeit soll eine eigenständige Arbeit eines qualifizierten Hochschulhistorikers sein. Weißmann und Jesse waren von der alten Ullstein-Verlagsführung ohne Beteiligung und gegen den Willen der Herausgeber verpflichtet worden. Der wissenschaftlich unerfahrene Weißmann hatte noch unter der Ägide des Münchner Verlegers Herbert Fleissner und unter Beteiligung des früheren Ullstein-Lektors Rainer Zitelmann den Auftrag erhalten, ausgerechnet den brisanten PGD- Band zur NS-Geschichte zu schreiben. Daraufhin hatten der als Autor vorgesehene Bochumer Historiker Hans Mommsen, aber auch renommierte Mitherausgeber wie Johannes Fried (Princeton/USA) und Groh den Beteiligten vorgeworfen, einen „Coup“ der sogenannten „neuen Rechten“ inszeniert zu haben. Weißmann und Zitelmann hätten versucht, das Propyläen- Standardwerk „zur Etablierung eines rechten, neukonservativen Nationalismus“ zu mißbrauchen, erklärte Fried. Rezensenten hielten Weißmann unter anderem vor, in dem Band „Der Weg in den Abgrund – Deutschland unter Hitler 1933–1945“ Zitate von NS-Größen unkommentiert und verharmlosend benutzt zu haben. Während Weißmann die Nazi-Greuel nur oberflächlich geschildert habe, werde die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg ausführlich und fast idyllisch beschrieben, rügten die Kritiker. Nur ein halbes Jahr nach Erscheinen nahm die neue Führung des Verlags das Weißmann-Buch aus dem Programm. Fleissner will das Buch nun in seinem eigenen Verlag herausbringen.

Eine Ausstellung mit Werken aus der Zeit des Nationalsozialismus sorgt in Braunschweig für anhaltende Proteste. Die Präsentation im Städtischen Museum mit Bildern von Paul Hähndel (1914–1941) sei eine „unkritische Aufbereitung faschistischer Kunst“, sagte eine Gruppe von Künstlern, Gewerkschaftern und Kirchenvertretern am Montag. Hähndel sei ein „begeisterter Vertreter der NS-Ideologie“ gewesen. Schon am vergangenen Donnerstag hatten Protestierende anläßlich einer Gedenkveranstaltung für Naziopfer ein Bild Hähndels abgehängt.

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