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Unterm Strich

Looping, Raupe, Geisterbahn: Der Jahrmarkt mit all seinen Horrorshows und Zuckereien wird oft unterbewertet. Dabei engagieren sich die Schausteller schon seit Ewigkeiten für ein Europa ohne Grenzen. Das hat auch organisatorische Konsequenzen: Am Wochenende wurde auf dem 31. Kongreß der Europäischen Schaustellerunion ESU in London Konsul Harry Wollenschläger als Präsident bestätigt. Wollenschläger, den man auch den „Berliner Rummelkönig“ nennt, versteht sich als Mann der Praxis, dem lokales Handeln und globales Denken durchaus geläufig sind. So jedenfalls liest sich seine Erklärung zum Amtsantritt: „Mit der Pflege traditioneller Volksfeste sollen im vereinten Europa einerseits Gemeinsamkeiten betont werden. Auf der anderen Seite sollen Unterschiede in Kultur und Brauchtum als regionale Eigenheiten den Tourismus fördern. Schausteller knüpfen Bande der Verständigung zwischen den europäischen Nachbarstaaten. Dazu brauchen wir Unterstützung aus Brüssel – praxisnahe Vorschriften und maßvolle Steuern und Gebühren, um Volksfestpreise volksfesttypisch zu halten.“ Nun kann man sich denken, wo das Wort vom „kollektiven Freizeitpark“ herkommt. Immerhin versorgen die etwa 70.000 Schausteller auf 30.000 Volksfestplätzen jährlich mehr als eine Milliarde Menschen mit Vergnügung.

Der französische Stummfilm-Star Suzy Vernon, mit bürgerlichem Namen Appolinie Salem, ist im Alter von 96 Jahren in der Nähe von Cannes gestorben. Sie starb bereits am vergangenen Freitag nach langer Krankheit in einem Wohnheim im Ort Mougins. Ihre Karriere begann, als sie 1924 in Nizza bei einem Schönheitswettbewerb entdeckt wurde. Ihre erste Rolle spielte sie als Madame Recamier in dem Film „Napoleon“ von Abel Gance. Bis Anfang der 30er Jahre wirkte sie auch in zahlreichen Filmen mit, die in den USA gedreht wurden. Nach ihrem letzten Film („Une etoile disparait“ – Ein Stern vergeht) heiratete sie und lebte rund 30 Jahre in Beirut, bevor sie 1986 nach Frankreich zurückkehrte.

Trotz Polke, Kiefer, Baselitz kann man in der Regel kein Geld mit Kunst verdienen. Nach Erhebungen des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen der rund 70.600 selbständigen Künstler aller Sparten in Deutschland bei deutlich unter

20.000 Mark. Die knapp 7.500 ostdeutschen Künstler verdienten im Durchschnitt mit 14.414 Mark deutlich weniger als ihre gut 63.100 West-Kollegen mit 19.786 Mark. Dies ermittelte das Ifo-Institut in einem Gutachten für das Bundesarbeitsministerium auf der Basis der Daten der Künstlersozialkasse (KSK) von 1993. In diesem Jahr werde der Bundesanteil an der Finanzierung der KSK voraussichtlich neu festgelegt, heißt es. Zwischen den einzelnen Kunstbereichen bestehen erhebliche Einkommensunterschiede. Den höchsten Durchschnittsverdienst meldeten die ebenfalls unter Kunst subsumierten Publizisten mit 24.912 Mark, gefolgt von den selbständigen Künstlern aus dem Bereich bildende Kunst (18.066 Mark).

Der schwedische Schriftsteller Karl Werner Aspenström ist am Wochenende im Alter von 78 Jahren in Stockholm gestorben. Der Autor hatte seit 1981 Sitz und Stimme in der „Schwedischen Akademie“, an deren Arbeit er sich seit 1989 nicht mehr beteiligte. Gemeinsam mit seinen Kollegen Kerstin Ekman und Lars Gyllensten protestierte Aspenström damit gegen das Schweigen der Akademie zur Verfolgung des Briten Salman Rushdie durch islamische Fundamentalisten. Entsprechend den Regeln der Akademie sind die Plätze aller drei bisher nicht neu besetzt worden, weil das erst nach dem Tod eines Mitglieds geschehen kann. Als Lyriker übte Aspenström starken Einfluß auf die schwedische Literatur der 50er Jahre aus.

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