: Unterm Strich
Verlautbarungen aus der Berliner Kulturverwaltung eröffnen häufig mit der Absichtserklärung, Kultur und ihre Institutionen erhalten zu wollen. Das heißt dann meist nichts Gutes. Der Berliner Kultursenator Peter Radunski will das Theater des Westens, das Metropol-Theater und den Friedrichstadtpalast als die drei großen Traditionsbühnen der „leichten Muse“ in Berlin erhalten, kündigt ihnen aber gleichzeitig eine drastische Kürzung der Zuschüsse bis 1999 an. Die Kürzungen seien angesichts der dramatischen Haushaltslage der Hauptstadt nicht zu vermeiden, sagte Radunski auf einer Veranstaltung des „Forums Hauptstadtkultur“ in der Akademie der Künste. So müßten die bisherigen Zuschüsse von rund 73 Millionen Mark für die drei Häuser auf 50 Millionen Mark reduziert werden. Eine Politik des „Friß Vogel, oder stirb“ werde es aber dennoch nicht geben, versicherte Radunski. „Wir werden versuchen zu helfen, wo es geht.“ Berlin investiere in die leichte Muse soviel wie nirgends sonst. „Diese Stadt strengt sich kulturell in Europa wie keine andere an.“Das ist schön gesprochen, allein, den Betroffenen fehlt der Glaube.
Der Intendant des Theaters des Westens, Helmut Baumann, bekräftigte seinen Entschluß, über 1999 hinaus nicht mehr als Intendant zur Verfügung zu stehen. „Ich kann das Theater des Westens nicht abwickeln. Ich kann es nicht für zehn Millionen Mark weniger machen, dafür steht der Intendant Baumann nicht zur Verfügung.“ Wenn sein Theater 1999 mit zehn Millionen Mark weniger auskommen könne mit demselben Ensemble und dem gleichen Qualitätsanspruch, dann habe er 13 Jahre lang das Geld zum Fenster hinausgeworfen. Baumann forderte von der Kulturpolitik ähnliche Anstrengungen wie zur 750-Jahr- Feier Berlins 1987 und meinte zur gegenwärtigen Stimmung in der Stadt: „Hier fehlt das positive Sehen. Wir sind nur eine Nörgeltruppe geworden.“ Der Konzert- und Veranstaltungsmanager Peter Schwenkow meinte, wenn Berlin Glück habe, werde im Jahre 2005 Kultur und Entertainment zusammen mit dem Tourismus der größte Arbeitgeber der Stadt sein, „weil Berlin neue Attraktivitäten gefunden hat, nachdem die alten Gott sei Dank weggefallen sind“. Radunski wies auf eine starke Aversion im früheren West-Berlin gegenüber der Unterhaltung und dem Entertainment hin. Dadurch habe die Stadt im Musicalbereich einen Trend verschlafen, während Städte wie Hamburg oder Wien zugegriffen hätten. Jetzt setze er nicht nur auf das Musical, sondern auch auf Revuen und Shows, betonte der Kultursenator. „Es muß, verdammt noch mal, bei den Kulturschaffenden eingesehen werden, daß es viel schwieriger ist, die sogenannte leichte Muse zu realisieren als die klassische Kultur.“ Und eines könne auch nicht stimmen: „Die Intendanten sind die Realisten und die Politiker die Trottel und Träumer.“ Ja, dann!
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