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Unterm Strich

In der Reihe „Wie setze ich eine Debatte fort“ nehmen wir heute die deutsche Normalität durch, zu der die Schriftstellerin Monika Maron einen Gedanken weiterdreht. Als Materialien verwendet sie starke Worte, unkonventionell verknüpft. Monika Maron wirft Deutschlands Nachbarländern „anti-deutschen Rassismus“ vor. Es sei ihr unverständlich, daß sich niemand gegen eine Überbetonung rechtsextremer Tendenzen in Deutschland durch das Ausland wehre, sagte sie in einem Interview mit dem französischen Magazin Le Point. „Ich finde es unerträglich, daß die Nachbarländer uns gegenüber stets eine Haltung des Mißtrauens annehmen. Wir erleben einen anti-deutschen Rassismus“, betonte sie. Alle Länder hätten ein rechtsextremes Wählerpotential. „Das Problem ist, daß die Bedeutung dieser Wahl in Deutschland sofort verstärkt und in Relation zur Nazi-Vergangenheit gesetzt wird“, erklärte Maron. Niemand könne heute von einem jungen Deutschen verlangen, daß er die Verantwortung für die Verbrechen seiner Großeltern übernehme: „Es gibt keinen Erbfehler.“ Deshalb müsse auch im Ausland Schluß damit sein, die Deutschen immer wieder mißtrauisch zu beäugen. „Alle Länder der Welt erlauben es sich, die Deutschen zu beleidigen, und ich frage mich manchmal, ob wir nicht völlig verrückt sind, daß wir uns nicht zu wehren wagen“, sagte die Autorin. In der gleichen Ausgabe äußert sich der Publizist Henryk Broder dagegen skeptisch über die gegenwärtige Debatte in Deutschland über die Vergangenheit. „Wir haben es mit einem Ritual zu tun. In zehn Jahren werden wir die gleiche Debatte erleben.“ Seiner Meinung nach haben die Deutschen „einen guten jüdischen Psychoanalytiker“ nötig. „Das wahre Problem der Deutschen besteht darin, daß sie nach der Niederlage des Dritten Reiches 1945 nie bestraft wurden. Sie wissen, daß sie sich schrecklicher Verbrechen schuldig gemacht haben und erwarten die Bestrafung“, meint er. Ein Anzeichen dafür, daß Deutschland weit von der Normalität entfernt sei, läge in der Debatte selbst. „Bei der Normalität ist es wie bei der Gesundheit: Wenn man sich guter Gesundheit erfreut, spricht man nicht darüber.“

Zu der Frage „Wie begründet man einen Literaturpreis und warum“ liefert die Kästner-Gesellschaft einen schönen Beitrag. Der Befund, daß der Dichter Robert Gernhardt („Ich, ich, ich“ und manch anderes Herzerfrischendes) den Alltag demaskiert, ist der bestellten Jury 10.000 Mark und den Erich-Kästner- Preis wert. Gernhardt mache sich „über akademischen Jargon, über Verbalprotzereien oder die Widersprüche im linksliberalen, rot-grünen Milieu lustig“, erklärte die Jury. „In seinen Gedichten benutzt er den Reim, so scheinbar lässig und so verfänglich wie Erich Kästner.“ Die Ehrung wird am 24. Februar in Berlin übergeben. Frühere Preisträger sind Peter Rühmkorf und „Loriot“ Vico von Bülow.

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