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Unterm Strich

Den ganzen Tag liefen am Montag ernüchterte Ticker über den Bildschirm: Der deutsche Beitrag „Aimée und Jaguar“ war bei der Golden-Globe-Verleihung preislos geblieben. „Deutscher Film fiel durch“, wurde gebetsmühlenartig wiederholt. So eine Meldung liest man an guten Tagen etwa in sechzehn verschiedenen Versionen. Doch dann, um 17.20 Uhr, hatte ein Redakteur der Nachrichtenagentur ADN eine Idee: Durch den großen Publikumserfolg des gefälschten Helmut-Kohl-Faxes offenbar ermutigt, erfand er einfach eine neue Variante: „Golden Globe für Aimée und Jaguar – Clement gratuliert“, wurde eine neue Agenturmeldung festlich angekündigt. Und tatsächlich konnte man in dem hübsch sachlich formulierten Text nicht nur von dem unerwarteten Erfolg des deutschen Beitrags, sondern auch noch den Wortlaut des Glückwunschtelegramms des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten lesen: „Erfolgreiche Kinofilme, die in Nordrhein-Westfalen entstehen, sind erfreuliche Signale, soll Clement geschrieben haben, und dass er zu diesem Erfolg nur gratulieren könne. Gezeichnet war die Meldung mit bpa/her. Doch jener bpa/her hatte an seiner falschen Nachricht nur kurze Freude. Zwölf Minuten später hieß es schon: Nicht verwenden! Falsche Angaben! – Wir gratulieren zu den so rasch funktionierenden Kontrollmechanismen und zu der guten Idee.

Und während unser liebstes Berliner Boulevardblatt B.Z. die Vergabe ihres „begehrten B.Z-Kulturpreises“ an das Ensemble von „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ bekannt gibt, lesen wir die entrüstete B.Z.-Titelschlagzeile: „Grönemeyer verprügelt Fotografen am Grab des Fahnders“. In dem Bericht dazu erfährt man, dass der so misshandelte Fotograf Gerd Nahte (49) „noch etwas benommen“ ist und von Grönemeyers Attacke Gehirnerschütterung und Schleudertrauma davontrug. Der Musiker habe bei seinem Angriff „einen fast tierischen Laut von sich“ gegeben und solle nun die Konsequenzen tragen. „Ich bin kein Hund“, erklärte der Fotograf, der nach Zeugenaussagen während der gesamten Beerdigung des Schauspielers Klaus Wennemann Grönemeyer aus kürzester Entfernung permanent geknipst hatte. Der befreiende Schlag des Musikers erfolgte erst nach der Beerdigung.

Unterm Strich

Wohl temporär unvermeidlich, dieses Zusammenzucken beim Wörtchen „übergeben“. Dabei macht dpa unter der Headline „Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) übergibt am Dienstag zwei wertvolle Zeichnungen an die Bremer Kunsthalle“ doch nur auf exakt diesen, im Grunde erfreulichen Umstand aufmerksam. Nach Angaben der Bremer Stadtverwaltung handelt es sich um eine Federzeichnung mit der Darstellung einer Madonna mit Kind, die Raffael zugeschrieben wird. Eine zweite Kreidezeichnung, ein männlicher Akt, soll vom italienischen Künstler Bernini stammen. Beide Zeichnungen aus dem Besitz der Kunsthalle wurden nach Kriegsende zusammen mit zwölf weiteren Blättern aus Bremen in die damalige Sowjetunion verschleppt und lagerten lange in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan. Die Rückführung bewertet der Bremer Senat als großen Erfolg, wobei die beiden Bilder „offenbar auf verborgenem Weg“ an den aserbaidschanischen Präsidenten Hajdar Alijew gelangten, der sie Bundeskanzler Schröder übergab. Und da geht natürlich schon wieder los ...

Den Gerrit-Engelke-Preis (20.000 Mark) kriegt Kerstin Hensel – für ihr erzählerisches Gesamtwerk. Seit dem frühen Prosaband „Hallimasch“ bis hin zum zuletzt erschienenen Roman „Gipshut“ verfolge Hensel die deutsch-deutschen Verhältnisse mit zunehmenden Sarkasmus.

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