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Unterm Strich

Europa retten ist eine Tätigkeit, die keinesfalls dem vergangenen Jahrhundert vorbehalten bleiben darf. Der tschechische Schriftsteller Ludvik Vaculik geht da mit gutem Beispiel voran. Während des Prager Frühlings hat er das „Manifest der Zweitausend Worte“ verfasst; nun ließ er einen manifesten Stempel fertigen. Für die europäische Identität. Wie der 73-Jährige gestern in der tschechischen Tageszeitung Lidove noviny bekannt gab, reagiert er damit auf die „geistlose deutsche Idee“, Briefe nicht mehr mit dem Absendeort, sondern allein mit „Briefzentrum“ abzustempeln. Vaculik will gegen diese „heimtückische Änderung“ und gegen die Ausbreitung der Anonymität in Europa protestieren, indem er künftig alle aus Deutschland empfangenen Briefe mit dem Stempel „Brief ohne Ortsangabe des Versandpostamtes zurück an Briefzentrum“ versieht und zurückschickt. Heute Berlin, morgen Brüssel und damit übermorgen wieder Prag. Humanistische Philatelisten aller Länder, vereinigt euch!

Als Fan gesichtstragender Metropolen outet sich auch die 11. Internationale Frühjahrsbuchwoche in München. Ihr Thema lautet dieses Jahr „Weltstädte-Stadtwelten“. „Briefzentren-Zentrumsbriefe“ hätte schließlich ungleich blöder geklungen. Wobei: irgendwie geheimnisvoller.

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