Unterlagen mit NSU-Bezug in Berlin: Noch mehr Akten geschreddert

In Berlin ist ein weiterer Fall bekannt geworden, bei dem rechtswidrig Verfassungsschutzakten geschreddert wurden. Und wieder heißt es, das sei ein „Versehen“ gewesen.

Berlins Verfassungsschutzchefin Claudia „bedauerliches Versehen“ Schmid und Innensenator Henkel (CDU). Bild: dapd

BERLIN dapd | Die Berliner Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid hat einen weiteren Fall von rechtswidriger Aktenvernichtung in ihrer Behörde eingeräumt. Im Juli 2010 seien Unterlagen zum Rechtsextremismus geschreddert worden, sagte Schmid am Dienstag in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz in Berlin. Sie betrafen die seit dem Jahr 2000 verbotene rechtsextreme Organisation „Blood & Honour“. Es handele sich um ein „bedauerliches Versehen“.

Einem Bericht der Bild-Zeitung zufolge, sollen die jetzt vernichteten Akten entgegen der Vorschriften nicht zunächst dem Landesarchiv vorgelegt worden sein. Die Archivare entscheiden normalerweise, welche Unterlagen aufbewahrt werden sollen und welche vernichtet werden dürfen. Laut Bild wird vermutet, dass die Akten relevant gewesen wären für die Ermittlungen zur rechten Terrorzelle NSU. Völlig unklar sei bislang, wann Innensenator Frank Henkel (CDU) von dieser Schredder-Aktion erfuhr.

Erst am 6. November hatten die Mitglieder des NSU-Bundestags-Untersuchungsausschusses und Berliner Abgeordnete davon erfahren, dass in der Verfassungsschutzbehörde im Juni Akten zum Rechtsextremismus geschreddert wurden, die eigentlich im Landesarchiv aufbewahrt werden sollten. Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte davon bereits am 15. Oktober Kenntnis erhalten, die Information jedoch zurückgehalten, weil er den Vorgang nach eigenen Angaben zunächst prüfen wollte. Die Opposition kritisierte ihn dafür scharf.

Betroffen waren dabei auch Akten zur früheren Nazi-Band Landser, in deren Umfeld sich ein V-Mann der Berliner Sicherheitsbehörden bewegte, der zumindest indirekt ebenfalls Hinweise auf den NSU gegeben hatte. Diese Unterlagen waren damals von Archivmitarbeitern begutachtet und als aufbewahrungswürdig gekennzeichnet worden. Sie wurden später jedoch geschreddert. Offiziell begründet wurde dies mit einem „Versehen“.

Der von Henkel eingesetzte Sonderermittler zur NSU-Affäre, Dirk Feuerberg, hatte in der Sondersitzung des Verfassungsschutzausschusses am Freitag gesagt, eine „bewusste Täuschung“ oder „vorsätzliche Vertuschung“ lägen „nicht besonders nahe“. Allerdings wollte er noch kein endgültiges Urteil abgeben.