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Unterlagen in britischen ZügenBritische Geheimakten sind nicht geheim

Peinlich für die Regierung: Schon wieder vergisst jemand vertrauliche Unterlagen im Zug. Einzelfälle sind das nicht.

"Unsere Feinde müssen gar nicht in unsere Computer einbrechen. Offenbar reicht es, wenn sie öffentliche Verkehrsmittel benutzen." Bild: dpa

DUBLIN taz Britische Regierungsbeamte schmökern in der Eisenbahn auf dem Weg zur Arbeit offenbar gern in hochsensiblen Geheimakten. Problematisch wird es, wenn sie die Papiere im Zug liegen lassen. Das geschah vorigen Mittwoch gleich zweimal. Im ersten Fall wurden die Akten des Geheimdienstausschusses über al-Qaida in Pakistan und Einschätzungen zur Sicherheitslage im Irak der BBC zugespielt.

Im zweiten Fall, der gestern vom Independent on Sunday enthüllt wurde, geht es um geheime Untersuchungen, wie das Bankensystem manipuliert werden könnte, um illegale Massenvernichtungswaffen für den Iran zu finanzieren. Außerdem enthalten die Papiere Erörterungen, wie Terroristen kommerzielle Webseiten und internationale Geldtransaktionen missbrauchen könnten. Besonders peinlich ist für die Regierung, dass in den Akten, die in einem Zug nach London-Waterloo lagen, detaillierte Informationen über eine Konferenz der internationalen "Financial Action Task Force" sind, die heute in London mit 450 führenden Experten für Verbrechensbekämpfung beginnt.

Innenministerin Jacqui Smith muss nun vor dem innenpolitischen Ausschuss des Unterhauses erklären, ob "all diese Lücken in der Sicherheit Auswirkungen auf unseren Kampf gegen den Terrorismus" haben, sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Keith Vaz. "Unsere Feinde müssen gar nicht in unsere Computer einbrechen", sagte er. "Offenbar reicht es, wenn sie öffentliche Verkehrsmittel benutzen." Vaz verlangte, dass sämtlichen Beamten strikt untersagt werden müsse, geheime Dokumente aus ihren Büros zu entfernen.

Erst im März war herausgekommen, dass der Regierung in den vergangenen drei Jahren mehr als 1.000 Computer abhanden gekommen sind. Allein dem Verteidigungsministerium wurden 503 Laptops gestohlen. Im Dezember musste Transportministerin Ruth Kelly eingestehen, dass die Daten von 3 Millionen Menschen, die sich für die theoretische Fahrprüfung angemeldet hatten, verloren gegangen sind. Erst eine Woche zuvor waren die Daten von Nordirlands Autofahrern in der Postsortierstelle in Coventry verschwunden. Voriges Jahr gingen zwei Computerdisketten verloren, die Daten über sämtliche Kindergeldempfänger enthielten - insgesamt 25 Millionen Menschen. Akten über die Sicherheitsvorkehrungen für den Londoner Flughafen Heathrow wurden von Passanten am Flughafenzaun gefunden. Papiere über Schutzmaßnahmen für den damaligen Innenminister David Blunkett lagen vor einer Kneipe. Nach all diesen Fällen hatte die Regierung, wie auch jetzt wieder, versprochen, man werde dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederhole.

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1 Kommentar

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  • JS
    Jens Schlegel

    Bei einem Satz wie "...wie das Bankensystem manipuliert werden könnte, um illegale Massenvernichtungswaffen für den Iran zu finanzieren." frage ich mich, weshalb die TAZ über ein paar vergessene Papiere (ohne das zu verharmlosen) berichtet.

    Worin steckt eigentlich der größere Skandal?