berliner szenen: Unterhaltungsbedarf
Obskure Listen
Der Hauptausschuss tagt, Politiker beraten den Kulturetat. Aufgerufen wird Titel 51.910, Berichtsauftrag zum „kleinen Unterhaltungsbedarf“. Ich denke an Kleinkunst, Chansons, Kaninchen aus dem Hut und bin überrascht, dass die Parlamentarier da extra einen Bericht angefordert haben. Plötzlich ist von 621 Millionen MarkFinanzbedarf die Rede. Eine obskure Liste wird geschwenkt, Anlage vier, und von Abgeordneten in Windeseile gelesen.
„Kleiner Unterhaltungsbedarf“ verlangt dringend eine Definition, finden die Parlamentarier. Ich auch. Gemeint sind Mittel zur Erhaltung von Bauten, Dachrinnenreinigung oder Schlosserarbeiten. „Klein“, meinen die Grünen, sind Summen bis 1.000 Mark. Der Staatssekretär sagt etwas großzügiger „bis zwanzigtausend“. Damit hat er noch nicht erklärt, wieso auf der Liste Summen wie 160.000 Mark für die Reparatur der Saalbestuhlung im Konzerthaus stehen.
An der ersten Liste hängt eine zweite Aufstellung zum Bauunterhaltungsbedarf im Bereich Kultur. Die hat die Kulturverwaltung unaufgefordert eingereicht und soll nun rechtfertigen, warum. Ist es nicht vernünftig, die Politiker darüber zu informieren, dass die Akademie der Künste, wenn ihr Neubau am Pariser Platz steht, 10 Millionen für eine Grundsanierung braucht? Im letzten Jahr purzelten die Millionen, die Opern und Theater zur Sanierung brauchten, wie ein Schicksalsschlag dem Haushalt hinterher.
Doch die Liste enthält Fehler: Da stehen nicht nur sanierungsbedürftige Museen, Gedenkstätten und Werkstätten, sondern auch Immobilien, die, wie das Metropol-Theater, verkauft werden. Deshalb wollen die Grünen eine neue Prioritäten-Liste von der Kulturverwaltung anfordern. Überflüssig, meinen die Koalitionäre aus SPD und CDU, denn Bauunterhaltungsbedarf dieser Größenordnung sei Sache der Bauverwaltung. Die werde ihre Prioritäten sicher nicht nach den Wünschen der Kulturverwaltung ausrichten. Da könnte ja jedes Ressort mit einer Wunschliste kommen.
Am Ende wird die Liste zurückgezogen, „zu viele Antikörper“ haben sich gebildet. Der Versuch, ressortübergreifend und weiter als ein Jahr vorausschauend eine Rechnung für die Stadt aufzumachen, ist gescheitert. Zu tief war das Loch, in das man hätte schauen müssen. KBM
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