Unterelbe: Häfen bis zum Horizont
Norddeutschlands Handelskammern wollen den Fluss zwischen Hamburg und Cuxhaven zum Industriegebiet machen. Die Küstenregion soll "angebotsfähig" werden - für Investoren
Hans-Jörg Schmidt-Trenz kennt keine Furcht. Wenn die Handelskammern Angst vor Naturschützern hätten, "könnten wir unsere Arbeit ja einstellen und das Licht in Deutschland ausknipsen", stellt der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg klar. Aber die Industrie- und Handelskammern in Norddeutschland (IHK Nord) seien sich einig, "dass die Elbe als verbindender Verkehrs- und Wirtschaftsweg begriffen werden muss", ergänzt Jörn Biel, Chef der Kammer in Kiel. "Die Zukunft liegt an der Küste", sind die beiden überzeugt.
Das ist auch der Titel eines Positionspapiers über "Industriegebiete im Zeitalter der Globalisierung", das sie am Donnerstag in Hamburg vorstellten. Auf 34 Seiten wird detailliert beschrieben, wie aus 120 Kilometern Unterelbe zwischen Cuxhaven und Hamburg eine "Perlenkette der Industriegebiete" werden kann. Mit "Freizeit und Naturerholung" sei das "vereinbar", glaubt Schmidt-Trenz, und Jörg Orlemann von der Handelskammer Stade versichert: "Wir wollen ja nicht beide Ufer auf ganzer Länge betonieren."
Im Zeichen der Globalisierung stünden "Industrieansiedlungen an der Küste vor einer Renaissance", so Schmidt-Trenz. Ein Standort in Hafennähe habe für viele exportorientierte Industriebetriebe aus südlichen Bundesländern "jetzt einen viel höheren Stellenwert als noch vor zehn Jahren", ergänzt Orlemann. Und deshalb müsse die Region beiderseits des Flusses "angebotsfähig sein für Investoren".
An der Unterelbe liegen fünf Frachthäfen: Cuxhaven und Stade in Niedersachsen, Brunsbüttel und Glückstadt in Schleswig-Holstein sowie Hamburg. Sie schlugen im Jahr 2008 zusammen 158,2 Millionen Tonnen Güter um.
Der Hamburger Anteil von 140,4 Millionen Tonnen macht davon 88,5 Prozent aus. Brunsbüttel am Eingang zum Nord-Ostsee-Kanal ist mit 9,8 Millionen Tonnen (6,0 %) der größte unter den kleinen Elbehäfen. Es folgen Stade (5,4 Mio. t; 4,0%), Cuxhaven (2,1 Mio. t.; 1,4%) und Glückstadt (0,2 Mio. t; 0,1%).
Den höchsten Zuwachs hatte Cuxhaven mit einem Plus von 7,0 Prozent. Der Grund ist die Spezialisierung auf die Verschiffung von Windkraftanlagen.
Über die Grenzen von Bundesländern, Landkreisen und Kommunen hinweg müsse der Unterelberaum zu einer Wirtschaftsregion zusammenwachsen. Dabei wolle die Wirtschaft durchaus berücksichtigen, dass die Unterelbe weitgehend unter Naturschutz stehe. "Aber falls sich Industriebetriebe ansiedeln wollen, müssen geeignete Flächen ausgewiesen werden."
"Die Küstenregion bietet aus Kosten- und Umweltgesichtspunkten enorme Standortvorteile", erläuterte Jörn Biel, der nach einem halbjährigen Gastspiel als CDU-Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein im November wieder auf seinen Posten als Hauptgeschäftsführer der IHK Kiel zurückgekehrt ist. Der Transport eines Containers von Hamburg nach München auf der Straße koste ein Vielfaches des Transports per Seeschiff von Hongkong nach Hamburg. Die Landstrecke mache nur gut drei Prozent des gesamten Weges aus, der Kostenanteil liege aber bei 80 Prozent. Deshalb werde die Nähe von Unternehmen zum Seeverkehr als "Fließband des Welthandels" immer wichtiger.
Dafür müssten mehr Autobahnen die Häfen besser mit dem Kontinent verbinden, stellten die Kammer-Chefs klar. Die Ostseeautobahn A 20 mit einem Elbtunnel bei Glückstadt müsse bis Oldenburg weitergebaut werden und die A 26 von Hamburg über Stade bis Cuxhaven führen. Eine Ostumgehung Hamburgs mit Elbquerung bei Geesthacht würde den direkten Weg von Kiel über Lüneburg bis nach Braunschweig ermöglichen.
Und bei all dem gehe es keineswegs um Konkurrenz, sondern um "Kooperation und Arbeitsteilung zu Gunsten aller", wie Peter Michael Stein aus Flensburg versichert. Ihm schwebt ein weltweit zu vermarktender Name für die Gemeinschaft der Elbehäfen vor: "Ports of Hamburg".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag