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Unsere kleine Farm

Die Saurier lassen Schweine fliegen: Pink Floyd erfreuten 100.000 Menschen auf dem Berliner Maifeld  ■ Von Anke Westphal

Rocker dürfen alt sein. Bob Dylan, 53, und Neil Young, 48, klampfen ausgezeichnet in der ersten Reihe. Ein kugelrunder und gutgelaunter Jerry Garcia, 51, spielt immer noch jeden pickeligen Grunger an die Wand. Rock- und Popidole dürfen gern auch einem Auto ihren Namen leihen. Wer so etwas mit Schaum vor dem Mund geißelt, will nur nicht sehen, wie ordinär Pop nun mal ist: Alltag und Geschäft. Und Pop ist heutzutage eben nur manchmal der Alltag einer Subkultur, aber wenn, dann gleichzeitig ihr Geschäft. Wirklich übel sollte man Rockern – pardon, will sagen: Poplegenden – nur nehmen, wenn sie schlechte Musik machen und langweilig werden. Das ist bei Pink Floyd und ihrem letzten – sagen wir – Material „The Division Bell“ leider eindeutig der Fall. Der Mauerfall und das ganze historische Ding der letzten Jahre, Ost und West, sollten drinstecken – was gaaanz Neues, musikalisch sowieso, obwohl man, so Gitarrist Gilmour, „ehrlich nicht mehr viel zu beweisen hat“.

Wahrscheinlich hat dieser Mangel an Ehrgeiz dem Werk nicht gut getan. Pink Floyd verzichteten während ihres Berliner Konzerts denn auch wohlweislich darauf, die Scheibe vom Blatt zu spielen. Stattdessen alte Hits, altes Glück, nur eben ohne Roger Waters. „We Don't Need No Education“. „Shine On You Crazy Diamond“. „Constantly Nun“. Werke wie Tafelbilder. Die Jahrgangsfrage konnte ebenso milde ausgelegt werden: Nick Mason, 49, Rick Wright, 49, Dave Gilmour, 50, und angemietetes Begleitvolk. „Spielen wie in alten Zeiten“, meint: hoher Wiedererkennungswert. Auf der Bühne wirkt das Ingenieurbüro Pink Floyd winzig zwischen den pompösen Apparaten. Welcome to the Machine. Aber mittlerweile hat sich wohl selbst Cyberspace überholt.

Vielleicht ist es ja ein Symptom, wenn eine Band die Zeitschrift wechselt. Ein giftiger Kurzmelder in Spex, der seitenlange Hofknicks dafür im Spiegel. „Golf Ummagumma“ (die Kölner Subkultur-Illustrierte) haben bei den Subkulturellen längst ihre Credibility verloren. Das stört das Publikum auf dem Berliner Maifeld, das sich zum größten Teil vermutlich einen Dreck um Subkultur kümmert, überhaupt nicht. Die Leute sehen aus, als würden sie selber Volkswagen fahren, Büropudel und Nackenspoiler, und auch das ist nicht schlimm. Sie wollen ihren Spaß mit reichen Musiksauriern haben, die in den USA pro Konzert im Schnitt 1,7 Millionen Dollar einnahmen. Die Leute wollen die Gigantomanie der Statistik, die Hubschrauber, den 80 Meter breiten Bühnenaufbau und die acht Riesenkräne. Sie wollen Pink-Floyd-T-Shirts für 40 Mark kaufen, und die kryptisch verquasten, dabei immer simpler strukturierten Elektronik-Epen und auch die Lichtshow von der Nasa für was Besonderes halten. Zappelnde Schnittmusterbögen aus giftgrünen und zitronengelben Lasern. Die Bühne hustet Rauch. „Eh Mann, das ist Wahnsinn, weißt du, cool eh.“ Dann elegante Anmoderation von Dave Gilmour: „Ein bißchen Music von mir, das ist was wollen Sie.“ What do You want from me? Die Leute lieben exakt diese aufgeblasene, hübsch bunte Theatershow mit Laserblümchen, 3D-Filmchen und Kaskadenraketen, die der 1968 abgetretene Syd Barrett einst verachtete. Das künstliche Zwitschern, Grunzen, Gluckern. Zu „Wish You Were Here“ kreischen sie sich das Herz aus dem Leib. Bei „Money“ werfen sie ihre modischen Seidenblousons weg und fangen an zu tanzen. Sie staunen runde Münder, als zur Halbzeit zwei Schweine über dem Maifeld fliegen und abstürzen. Feuerzeuge, Wunderkerzen, Phosphorbänder. Lupenreines Illusionstheater.

Aber so ist das nun mal, wenn Legenden und ihre Anhänger, viele aus der Ex-DDR, in die Jahre kommen und sich selbst über ihren Gesundheitszustand beschummeln. Es ächzt in den Computern, die Sinustöne wollen auch nicht mehr so recht. Man erzählt sich Geschichten aus der Jugend und glaubt, es wären ofenfrische Abenteuer. An die Stelle von Visionen treten Familienfotos. Und auch das wäre vielleicht nicht weiter schlimm, wenn Gilmour, Mason und Wright nicht was anderes behaupten würden. Warum sollten sie nicht ihr warmes Plätzchen honoris causa in den Charts vom Rolling Stone genießen, irgendwo an der Spitze zwischen Stone Temple Pilots und Ace Of Base. Und doch, mein Gott, wie haben wir vor fünfzehn Jahren in kunstgewerblichem Schmerz gebibbert, wenn wir sechsmal hintereinander „Be careful with that axe, Eugene“ gehört hatten. (Mit Plattenspieler, ohne programmierbare Endlosschleife!) Wish you were here, ein bißchen zumindest.

Die New York Times schrieb anläßlich der Veröffentlichung von „Voodoo Lounge“ über die Rolling Stones, sie seien nun mal wie „Heinz Tomatenketchup“: ein seit dreißig Jahren eingeführtes Produkt; es ist nichts anderes drin, als auf der Flasche draufsteht. Mit Pink Floyd ist das ein bißchen anders. Bei ihnen steht „Königstrüffel“ drauf, aber es waren immer schweinchenrosa Marshmallows drin. Auch nicht so schlimm.

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