Unser kleines Radio: Echt saukomisch
■ Anmerkungen eines Bremer Wellenreiters. Heute: das Hafenkonzert
Die Hansawelle sendet ein Hafenkonzert aus Butjadingen. Acht Uhr früh am Sonntag. Der Moderator muß sich räuspern. Er hat, so sagt er, „einen Krümel auf der Schalmei“. Guten Morgen. Einen schönen guten Morgen. Darüber müssen alle lachen. Der Moderator muß am allermeisten darüber lachen, daß er einen schönen guten Morgen gewünscht hat. Eine lustige Sendung. Es gibt viel zu lachen. Was heißt „Transvestit“ im „Lande der Chinesier“? – „Kei Muschi kei Sacki“. Das ist wirklich sehr zum lachen. Und „Oma“ heißt auf Chinesisch „Kann kaum Kau'n“. Und dann noch ein Witz über Drogenabhangige. Gejohle brandet über den Deich von Butjadingen. Überhaupt: Der Deich von Butjadingen. Ein Herr aus Butjadingen darf sagen, daß der Deich mit viel Manpower gebaut worden sei, ansonsten werde im Butjadinger Land aber „überwiegend gemolken“. Kaufmännische Angestellte, Landmaschinentechniker und Gastwirte aus dem Butjadinger Land singen im Chor Ahoi.
Das Hafenkonzert am Sonntagmorgen ist die Stunde der Fundamentalisten des Bremischen Rundfunks. Dann reduziert sich die Hansawelle auf ihren wesentlichen Gehalt. Was immer Michael Augustin, Gerald Sammet oder Christian Günther eine Woche lang mühsam an zarten Radio-Pflänzchen in orchideenhefter Pracht hochgepäppelt haben: Hier wird alles mit der Machete der Dämlichkeit nierdergehauen. Je niednger das Niveau, umso höher geht's her: Das Hafenkonzert ist die Fluchtburg verbaler Popoklopfer, das Klärschlammbecken von Schwiegermutter-Witzlern, die Ursuppe des Stammtisch-Krakeels, der dumpf tönende Bleikeller der Rundfunk-Unterhaltung.
Wäre es nur eine niedliche Unbeholfenheit, wäre es nur eine tapsige rhetorische Inkontinenz – das Hafenkonzert wäre in nostalgischer Verklärung vielleicht sogar liebenswert. Aber hier wird nicht in der seichten Lagune lieblicher Waterkant-Klischees geplätschert. Hier ist es zotig statt derb, hier ist es populistisch statt volkstümlich.
Da möchte man von jenen Zeiten schwärmen, in denen „Willy Korrek und seine Rhythmusgruppe“ das gute, alte „Norddeutsche Blasorchester unter Leitung von Michael Wintering“ beim Hafenkonzert unterstützten. Damals – ja, da wäre noch die Chance gewesen, die Sendung Legende werden zu lassen. Da moderierten in der Frühe Herren mit deutlich schwerer Zunge, durch diverse Schoppen stimulierte Claquere kreischten „Bravo“ dazu, und es wurde so herrlich banal geplaudert, daß alles schon von selbst wie eine Kunstform musealen Rundfunks erschien.
Zu spät. Heute ist es schon ein Lichtblick, wenn statt des Hafenkonzerts alle 14 Tage eine im Vergleich nachgerade kultiviert erscheinende bayerische Sendung aus der Stubn-Musi-Ecke zu hören ist. Und doch fröstelt es einen die ganze Radiowoche lang, wenn der Butjadinger Wattführer im Hafenkonzert zwei Mal hintereinander in den Äther keifen darf: „Aushalten, durchhalten, Maul halten.“ Lutz Wetzel
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