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■ Unser Gemeinwesen zeigt sich absolut einfallslos, wenn es um die künftige Finanzierung seiner Hochschulen gehtAbschied vom Generationenvertrag

Unterricht wird gekürzt, zumal in musischen Fächern. Kinder sitzen in größeren Klassen. Hamburg verhökert sogar Schulhöfe auf dem Immobilienmarkt. Kindergartenplätze in staatlichen Einrichtungen kosten monatlich bis zu 700 Mark.

Finanzminister zwingen Wissenschaftsminister, Studienplätze zu streichen, z.B. 5.000 in Hamburg und 15.000 in Berlin. Und während Professorenstellen nicht wieder besetzt werden, 1.116 Stellen allein an niedersächsischen Universitäten, veröffentlicht jetzt die Kultusministerkonferenz ihre neueste Prognose: Die Zahl der Studierenden wird um ein Drittel wachsen. Zwischen 340.000 und 380.000 Erstsemester werden bald jährlich erwartet. Zur Zeit beginnen 270.000 Anfänger.

Auch in Betrieben nimmt die Bereitschaft ab, in die nächste Generation zu investieren. Nahezu 200.000 Lehrstellen wurden in den vergangenen zehn Jahren in der alten Bundesrepublik aufgegeben. Weggefallen sind zumeist Ausbildungsplätze in der Industrie, die oft teurer sind als Studienplätze in den Geisteswissenschaften. Fast die Hälfte der Unternehmen will weitere Ausbildungsplätze abbauen, verrieten sie jüngst in der Umfrage einer Düsseldorfer Bank.

So werden auch viele der Abiturienten, die zwischen Studium und Berufsausbildung schwanken, in die Hochschulen drängen. Aber dort drängeln sich bereits auf 900.000 Studienplätzen in Gesamtdeutschland 1,9 Millionen Studierende, mehr als zwei also auf einem Platz. Der Effekt: Aus Studierenden in den überfüllten Hörsälen werden teilnahmslose Zuschauer. Oft reißen sie ein Scheinstudium herunter. „Scheine erschlagen“, so heißt es in ihrer Alltagssprache. Wer will die Zukunft auf Eliten setzen, die als Bluffer konditioniert wurden? Tatsächlich werden sich diejenigen, die heute studieren, als einfallsreiche und selbstbewußte Grenzgänger auf den Weg in eine Zukunft machen müssen, die weniger denn je bloß die Wiederholung der Vergangenheit sein wird.

Was tun?

Der Staat, der Billionen Mark auf Kosten der künftigen Generationen aufgenommen hat, dieser maßlos verschuldete Staat sagt allenthalben, weil er doch bei den Künftigen schon so tief in der Kreide stehe, könne er unmöglich mehr Geld in deren Zukunft investieren. Eine feine Logik, nicht wahr?

Jener Bundesminister, der sich „Zukunftsminister“ nennen darf, Jürgen Rüttgers, hat sich gerade mit seinem Vorschlag blamiert, Geld für Hochschulbauten bei den Ärmeren der Studierenden, den Bafög-Empfängern, einzusammeln. Sie sollen die Hälfte ihres Stipendiums, die sie ja bisher schon zurückzahlen müssen, künftig nur zu banküblichen Zinsen erhalten. Aber selbst CDU-Länder halten nichts von diesem Vorschlag.

CDU-Politiker rufen indessen nach Studiengebühren als rettender Einnahme. Zugleich wollen sie mit Eingangsprüfungen die Hürden vor den Hochschulen erhöhen. Aber auch dieser Vorschlag erweist sich als panischer Reflex, nicht als reflektierte Politik, denn das Hauptproblem sind nicht die (Un-)Fähigkeit der StudentInnen, das Hauptproblem ist die rapide schwindende Eignung der Hochschulen.

Und was ist von Studiengebühren zu halten? Daß Studierende, die privaten Vorteil von der Gemeinschaftseinrichtung Hochschule erwarten, von ihrem Gewinn zurückgeben, ist nur gerecht. Allerdings sollten sie ihre Wiedergutmachung dann erst entrichten, wenn sie von ihrem Studium profitieren. Mit dieser nachträglichen Studiengebühr der Ärzte, Lehrer und Ingenieure könnte man sofort beginnen. Solche Konstruktionen nennt man Generationenvertrag.

Aber um diese Frage, wie verantwortlich die Erwachsenen sind, drückt sich die derzeitige Debatte. Lieber sucht man Wege über die Finanzierung durch Banken. Die künftige Generation soll Kredite gewissermaßen bei sich selbst aufnehmen. Dabei steht ein Kind, das heute geboren wird, bereits mit 40.000 Mark in der Kreide. Der Teufel kackt auf keinen kleinen Haufen, sagt sich nun auch Jürgen Zöllner, SPD-Wissenschaftsminister in Rheinland-Pfalz. Er schlägt vor, den Hochschulbau privaten Investoren zu überlassen und bei ihnen anschließend die Hochschulinfrastruktur zu leasen. Investoren winkt ein völlig risikoloses Geschäft. Der Staat würde seine Haushalte nicht heute belasten, sondern erst morgen und übermorgen. Ist das verantwortlich?

Der Verband der Beratenden Ingenieure (VBI) warnt in einem Gutachten die öffentliche Hand vor solchen Leasing-Projekten, denn sie kaschierten die Schulden mit dem Aufbau von Schattenhaushalten. Langfristig sei Leasing teurer, zudem gingen dem Staat Einnahmen verloren, weil Investoren Steuern sparten. Kurz: Leasing ist ein Trick, die heutige Last auf die Künftigen abzuwälzen. Die Heutigen drücken sich vor der Verantwortung, und einige von ihnen machen dabei kräftig Gewinn.

Es gibt auch andere Vorschläge.

Einen machte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Hans Uwe Erichsen. Er will Steuergesetze so ändern, daß Erben als Alternative zur Erbschaftssteuer gemeinnützige Hochschulstiftungen unterstützen dürfen. 2,6 Billionen Mark werden allein in den nächsten 15 Jahren vererbt. Jeder 40. Bundesbürger wird Millionär.

Erichsens Vorschlag hat den Vorteil, daß Stifter beeinflussen, was sie unterstützen. Wenn tatsächlich eine Art Akademikerabgabe eingeführt werden sollte, wie es ein anderer Vorschlag zur Rettung der Hochschulen will, dann sollte die Mitbestimmung der Gebenden verankert werden. Die Gesellschaft muß sich wieder unmittelbarer engagieren. Sie muß Verantwortung für die Zukunft übernehmen, und sie darf nicht länger infantil vom Staat Erhöhung des Taschengelds fordern. Verantwortung ist immer konkret. Steuern allerdings anonymisieren, sie lassen den Gemeinsinn verkümmern und päppeln statt dessen kleinbürgerliche Versicherungsbetrüger, die darauf lauern, ihren Einsatz zurückzuholen.

Diese werden sich ihres antisozialen Autismus solange nicht gewahr, wie sie überzeugt sind, die Welt sei ihnen noch etwas schuldig. Gemessen an den Erwerbstätigen sind derzeit 22 Prozent der Bevölkerung älter als 65. Im Jahr 2040, so Modellrechnungen, werden es 57 Prozent sein, vorausgesetzt, das Land öffnet sich nicht für Einwanderer.

Diejenigen, die jetzt auf den Generationenvertrag pfeifen, werden sich noch wundern, wenn sie als Generation störrischer Alter erst auf die Jungen angewiesen sein werden, die sie beharrlich zu Betriebswirtschaftlern ihres dürren Ego getrimmt haben.

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