: Unschuldig & ahnungslos
■ Wache 11, Prozeß I: Polizist bestreitet, Schwarzen eingesprüht zu haben
„Ich habe mit dem Desinfektionsmittel nie eine andere Person eingesprüht“, beteuerte der Polizist Joachim L. gestern vor Gericht. Nur die Handschuhe, die er für die Durchsuchungen benutze, und seine Hände habe er besprüht. Daß sein Ex-Kollege Uwe Chrobok ihn im Zellentrakt der Revierwache 11 an der Kirchenallee mit dem Spray in der Hand vor einem nackten Schwarzen sah, bestreitet der wegen Körperverletzung im Amt angeklagte L. nicht. Nur habe Chrobok, der Hauptbelastungszeuge, eben falsche Schlüsse gezogen. Verteidiger Walter Wellinghausen hatte schon an vorherigen Prozeßtagen der Hauptverhandlung beharrlich insistiert, daß der Körper des Schwarzen ja auch vor Angstschweiß feucht glänzend gewirkt haben könnte.
Ausführlich, geübt und ohne ein einziges Mal ins Stocken zu geraten schilderte Joachim L., die schwierigen Arbeitsbedingungen auf der Wache 11. Auch die Staatsanwaltschaft leistete dem angeklagten Polizisten gestern Hilfestellung. Sie bestand darauf, daß das dermatologische Gutachten der „Incidur“-Herstellerfirma im Gerichtssaal verlesen wurde. Das Desinfektionsspray sei gesundheitlich unbedenklich, heißt es dort naturgemäß. „Es ist durchaus Aufgabe des Staatsanwalts, auch Entlastendes für den Angeklagten vorzubringen“, erklärte die Anklagebehörde der taz, warum Joachim L. gestern zwei Verteidiger hatte.
Ein Gespräch mit dem Kronzeugen Chrobok am Tag nach der Suspendierung des Polizeieinsatzzuges Mitte – am 14. September 1994 – hat, so L., nie stattgefunden. Da er in der Nacht zuvor mit den suspendierten Polizisten getrunken hätte, sei er spät dran und deshalb nicht in der Kantine gewesen. Laut Chrobok soll der Angeklagte gesagt haben: „Wenn das mit dem Spraydosen rauskommt, müssen wir uns warm anziehen.“
Warum sein ehemaliger Kumpel Chrobok, mit dem er ein ausgesprochen gutes Verhältnis gehabt hätte, dennoch gegen ihn aussagte, „frage ich mich selbst seit einem Jahr“. Und genau ist der Punkt: Kronzeuge Chrobok hat kein Motiv. Außer der Wahrheit. Das Urteil wird für nächsten Donnerstag erwartet. sim
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen