Unruhen in Pakistan: Proteste nach Mord an Christen
Nach schweren Unruhen demonstrieren Menschen gegen Gewalt. Christliche Schulen bleiben geschlossen. Das Verfahren gegen die mutmaßlichen Bombay-Bomber verzögert sich.
DELHI taz Nach schweren Ausschreitungen gegen Christen in Pakistans Provinz Pandschab vom Wochenende haben am Montag in mehreren Städten des Landes Menschen gegen die Gewalt demonstriert. Alle christlichen Schulen wurden aus Protest für drei Tage geschlossen.
Acht Menschen kamen bei den Unruhen in der Stadt Gojra ums Leben. Sechs von ihnen starben, als Mobs Dutzende Häuser in Brand steckten, zwei weitere wurden anschließend von Militanten erschossen. Offenbar hatten Anhänger einer verbotenen militanten Islamistengruppe das Gerücht gestreut, Mitglieder der christlichen Gemeinschaft in Gojra hätten den Koran entweiht. Maskierte Militante sollen die Mobs angeführt haben und für die schwersten Gewaltakte verantwortlich sein.
Zwar sieht Pakistan häufig Gewalt zwischen religiösen Gruppen. Meist kommt es jedoch zu Ausschreitungen zwischen sunnitischen und schiitischen Muslimen. Die religiösen Minderheiten des Landes konnten bislang relativ unbehelligt leben. Jedoch drohen ihnen schwerste Strafen bis hin zu Todesstrafe, sollten sie sich kritisch über den Islam äußern. Seit Beginn der Taliban-Unruhen im Nordwesten des Landes wurden dort jedoch mehrfach Christen bedroht und in einigen Fällen angegriffen.
Indien zeigte sich indes enttäuscht über eine weitere Verzögerung des Strafverfahrens gegen Islamistenchef Hafis Said, den Delhi als Chefplaner des Terrorangriffs auf Bombay ansieht. Das Oberste Gericht Pakistans setzte das Verfahren gegen Said, der die verbotene militante Gruppe Laschkar-i-Toiba (LiT) mitgegründet und zuletzt eine karitative Tarnorganisation der LiT geleitet hatte, auf unbestimmte Zeit aus. Noch am Samstag hatte Delhi weitere Beweise gegen Said veröffentlicht.
Offenbar scheut sich Pakistans Führung, den LiT-Mitgründer anzuklagen. Denn noch bis 2003 unterstützte Pakistan die LiT, deren Kämpfer im indischen Teil Kaschmirs Sicherheitskräfte angriffen. Vermutlich unterstützen noch heute Kreise aus Armee und Geheimdienst die Militanten, die sie lange gegen Indien eingesetzt haben.
Einem anderen Islamistenführer soll jedoch der Prozess gemacht werden. Sufi Mohammad, der im Februar ein weltweit kritisiertes Abkommen zwischen der Regierung und einer Taliban-Miliz im Swattal ausgehandelt hatte, wurde wegen Aufwiegelung, Verschwörung und "Unterstützung des Terrorismus" angeklagt. Im April, nachdem gemäß dem Abkommen die Scharia im Regierungsbezirk Malakand eingeführt worden war, hatte Sufi Mohammad die Demokratie und demokratische Wahlen als "unislamisch" bezeichnet. Gleichzeitig drangen Taliban-Kämpfer, offenbar durch das Schariaabkommen bestärkt, aus dem Swattal in die südlich gelegene Region Buner vor. Damit blamierten sie Pakistans Regierung und Armee. Das Militär marschierte Ende April in Buner und in das Swattal ein und kämpft dort bis heute gegen die Militanten.
Über die Einleitung eines weiteren Strafverfahrens soll in Kürze das Parlament entscheiden: Das Oberste Gericht des Landes hat Ende vergangener Woche die Verhängung des Notstands durch Armeediktator Perves Muscharraf im November 2007 als nicht verfassungsgemäß erklärt und mehrere Verfassungsänderungen widerrufen, die Muscharraf durchgesetzt hatte. Nun könnte Muscharraf selbst angeklagt werden. Eine solche Anklage kann nur die Regierung einreichen. Premier Jusuf Rasa Gilani erklärte, das Parlament müsse über die weiteren Schritte entscheiden.
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