Unruhen in Kenia: Hoffnung geht in Flammen auf
Der umstrittene Präsident Mwai Kibaki vermasselt Kofi Annans Vermittlungsversuch - und die Gewalt nimmt wieder zu.
NAIROBI taz Die Szene ließ Kenia hoffnungsvoll aufatmen: Der umstrittene Präsident Mwai Kibaki und sein Widersacher Raila Odinga reichen sich die Hände. Das reichte, um das Land zum Jubeln zu bringen. Der als Vermittler angereiste ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte geschafft, was seit den Wahlen am 27. Dezember niemandem gelungen war.
Die Kontrahenten des Konflikts, der Kenia in die Krise gestürzt hat, redeten am Donnerstagnachmittag erstmals miteinander und gelobten vor laufenden Kameras, sich Mühe für eine Einigung zu geben. Doch die Freude währte nur Minuten. Dann trat Kibaki ans Mikrofon und machte alle Erfolge des Nachmittags in einem Streich zunichte: Er sei der ordnungsgemäß gewählte Präsident, der Kenia persönlich zu Einheit, Toleranz, Frieden und Harmonie führen werde.
So viel Dreistigkeit ließ selbst das Gesicht des erfahrenen Afrika-Diplomaten Annan versteinern, von Odinga ganz zu schweigen. Schließlich steht der auch von internationalen Beobachtern bestätigte Wahlbetrug zugunsten von Kibaki im Mittelpunkt der Gespräche. Wutschnaubend verließ Odinga den Ort des Treffens in Nairobis Innenstadt und ließ danach verlauten, Kibaki meine es nicht ernst mit der Verständigung. Diese Einschätzung wird zwar von vielen seit langem geteilt, doch kurz nach dem Treffen, das nur ein Auftakt sein sollte, tönte es dennoch wie Donnerhall. Odingas Sprecher Salim Lone wies am Freitag alle Berichte zurück, nach denen Odinga zur Machtteilung mit Kibaki bereit sei. Odinga erklärte: "Es gibt nur drei Lösungen: Kibaki tritt zurück, es gibt eine Neuwahl oder eine Übergangsregierung, die Neuwahlen vorbereitet." Annan traf am Freitag offenbar mit keinem der Widersacher zusammen.
Die Unruhen in Kenia nahmen unterdessen eine neue Dimension an. In der Nacht zum Freitag überfielen Kikuyu-Milizen zahlreiche Häuser in Nakuru, der größten Stadt im südlichen Rift Valley. Medien sprachen von mindestens elf Toten und hunderten Verletzten, vor allem der Volksgruppen der Kalenjin und Luo. Beide gelten als Unterstützer der Opposition. Die Kikuyu, zu denen auch Kibaki zählt, sind Kenias größte Ethnie und seit Wochen Ziele von Angriffen in Oppositionshochburgen. In Nakuru stellen die Kikuyu hingegen die Mehrheit.
"Wir haben uns vorgenommen: Für jeden Kikuyu, der in Eldoret gestorben ist, sterben zwei Kalenjin in Nakuru", wurde ein Busfahrer zitiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin