Unkompliziertes Verhältnis: Punks und Richter
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von Nils Schuhmacher
Slime sangen einmal in einem Ton Steine Scherben entliehenen Song: „Die Richter und Staatsanwälte, für wen sind die da?“ Aber wer jetzt lauthals und textsicher fortfahren will mit: „Für die Kapitalisten, für diesen Staat“, um sich mit der nötigen politischen Nestwärme zu panzern, sollte wissen: Es ist nichts mehr so einfach, wie es einmal schien.
Denn es wurden bereits Richter gesichtet, die in ihrem Beruf den Schwachen zu ihrem Recht verhelfen und ihrer Berufung nach dann auch noch Punks sind. So etwa Yonas Farag, der als Richter am Berliner Sozialgericht wirkt. Und in seinen seltenen freien Momenten spielt er in der Punkband Montreal, die natürlich auch bereits mit Slime auf großer Tour waren.
Auf den ersten Blick fragt man sich schon, wie es so haupt- und nebenwiderspruchsmäßig abgeht, wenn zwei solche Welten aufeinandertreffen. Antwort: unkompliziert. Slime haben sich textlich ja auf die Genealogie verlegt und bezogen ihre Texte zuletzt aus der Feder von Erich Mühsam (der unter dem Titel „Der gute Richter“ auch bereits eine kleine Ode auf den Berufsstand produziert hat). Montreal produzieren demgegenüber mehr jene Art von Funpunk, die von harmlosen „Fettnäpfchen“ handelt, in die man so tappt, ob nun Richter oder Punkrocker (oder Staatsanwalt).
In Ordnung ist die Welt also nur noch da, wo es gar nicht harmlos zugeht, zum Beispiel im Gangsta-Rap. Die Verurteilung eines Mitglieds der Hamburger Straßenbande 187 zu einer mehrjährigen Haftstrafe erlaubt so eine ganz unerwartete Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage. Diese Antwort lautet: „Dafür, dass mittelprächtige Mucke in den Charts auf Platz 2 landet“.
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