■ Standbild: Unkomischer Denkfehler
„T.V. Kaiser – die Talkshow, wo voll gut ist“, Fr., 23.15 Uhr, RTL
Potztausend, welch souveräne Geste! Geht RTL einfach hin und macht sich mit einer seriellen Talkshow-Verarsche über sich selbst lustig. Hätte man im Vorfeld meinen können. Aber wir beinharten Ilona-Junkies haben natürlich gleich geahnt, daß das eigentlich nix werden würde. Daß es allerdings so arm ausfallen würde, hätten wir denn doch nicht gedacht. Da erschien in einer messerscharfen Kopie des Meiserischen Allerheiligsten eine dralle Blondine aus Vietnam (witzig!) und präsentierte sich als überaus williges (witzig!) Opfer, das sie lispelnd (witzig!) der potentiellen Käuferschar via Talkshow feilbot. Dazu gesellten sich dann noch ein verstörtes Muttersöhnchen mit Heiratswunsch und Glasbaustein-Sehhilfe (witzig!) nebst resolut schwäbelnder (witzig!) Mama sowie ein kölschender (äh, ...!) Frauenhändler mit Nackenspoiler und Spiegelbrille, in der ein Glas fehlte (was das Ganze prompt noch witziger machte).
Wer's nicht gesehen hat, wird's trotzdem vermuten: Geredet wurde da auch noch. Vornehmlich von Martin Zuhr, der den Moderator namens Kaiser gab und mit der (sowieso witzigen) blonden Vietnamesin u. a. diesen witzigen Dialog vortrug: „Wieviel hat Karl Heinz denn für Sie bezahlt?“ Sie: „Äh ..., in Yen, Dollar oder DM?“ Kaiser: „In Telekom-Aktien!“. Genug der Pein, gehen wir geradewegs zum Fazit über: Der Versuch Talkshows in Form von Comedy zu veralbern, entpuppte sich als grenzenlos humorloses Unterfangen. Weil Herr Zuhr offenbar ein höchst mittelmäßiger Komödiant ist, seine Mitstreiter Mirco Nontschew, Tommy Krappweis und Tanja Schuhmann nicht eben zu den Lichtgestalten von „RTL Samstag-Nacht“ gehören und man die Gag-Autoren scheint's irgendwo in der gymnasialen Mittelstufe rekrutiert hatte. Jenseits der miserablen Ausführung liegt dem Unternehmen jedoch ein schlichter Denkfehler zu Grunde. Die (unfreiwillige) Komik dieser Daily-Talks von Kerner bis Meiser lebt schließlich nicht zuletzt davon, daß hier die aberwitzigsten Sentenzen und Probleme mit absolutem Bierernst dargeboten werden. Das Original ist hier also zugleich seine bestmögliche Parodie. Den offenbaren Schwachsinn comedymäßig überbieten zu wollen setzt da nicht noch einen drauf, sondern nimmt dem Ganzen unweigerlich jede Komik. Reinhard Lüke
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