Unklare Coronaregeln in Flüchtlingsheim: Wenn die linke Hand nicht weiß…
Verwirrung um ein Geflüchtetenheim in Bremen: Der Flüchtlingsrat irrt sich bezüglich einer Quarantäne, die Behörde widerspricht den eigenen Zahlen.
Anmerkung der Redaktion: Der Artikel vom 21. Januar ist am 24. Januar ergänzt und korrigiert worden. Neu ist der Teil rund um die unklare Belegungsgrenze des Geflüchtetenheims an der Alfred-Faust-Straße.
Laut der neuesten Quarantänerichtlinien durch die neue Bremer Coronaverordnung müssen dreifach oder frisch Geimpfte ohnehin nicht mehr in Quarantäne. Schon lange zuvor aber galt: Quarantäne für ganze Einrichtungen wie im April 2020 verhängt das Gesundheitsamt nicht mehr, „auch wenn das für uns in der Sozialbehörde organisatorisch leichter wäre“, so ein Sprecher der Sozialsenatorin.
Für die Quarantäne in der Erstaufnahmestelle Alfred Faust-Straße mussten Infizierte laut Sozialbehörde nun innerhalb des Hauses auf einen gemeinsamen Flur umziehen, Kontaktpersonen der Kategorie I auf einen weiteren Flur. Dort teilen sich jeweils mehrere Familien oder Einzelpersonen ein Bad. Das Essen wird vor der Zimmertür abgestellt. Die Kinder der Quarantänisierten dürfen bei ihren Eltern im Zimmer bleiben – auch wenn sie selbst nicht infiziert sind. Die Flurquarantäne gilt damit aber auch für sie.
Dass es zu dem Missverständnis um die pauschale Quarantäne gekommen ist, erklärt der Flüchtlingsrat auch mit der Informationspolitik in den Geflüchtetenwohnheimen. „Unser Eindruck ist immer wieder: Es gibt keinen Willen zu guter Kommunikation“, so Sprecherin Gundula Oerter. „Eine Quarantäne ist und bleibt ein Ausnahmezustand, die Betroffenen haben ein Recht auf Information. Und zwar solche, die auch nützlich sind.“
Intransparenz der Behörde zur Belegungsgrenze
In der ersten Coronawelle hatten sich in einer anderen Erstaufnahmestelle in Bremen in der Lindenstraße zeitgleich 300 Geflüchtete infiziert. Damals hatte die Gesundheitsbehörde der Sozialbehörde schließlich einen Belegungsstopp auferlegt – und die maximale Belegungsgrenze für die Übergangswohnheime während der Pandemie herabgestuft.
In der Alfred-Faust-Straße wohnen aktuell 169 Menschen. Wie viele es sein dürften, darum gibt es auch innerhalb der Verwaltung einige Verwirrung – und Intransparenz. 180 der 240 theoretisch vorhandenen Plätze dürften belegt werden, schreibt die Sozialbehörde auf Anfrage der taz.
Laut einer Deputationsvorlage derselben Behörde für die Sitzung am 13. Januar dieses Jahres aber dürften es nur 120 sein, merkte der Flüchtlingsrat nach der ersten Veröffentlichung dieses Artikels an. „Aufgrund des […] Anstiegs der Zugangszahlen ist diese Begrenzung […] auf bis max. 120 Personen am Standort Alfred-Faust-Straße während der Corona-Pandemie im Moment nicht einzuhalten“, heißt es in der Vorlage.
Diese Aussage aus dem Sachstandsbericht für die Deputation (und damit die Öffentlichkeit) sei ein Fehler seiner Behörde, so Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin; 180 sei die korrekte Zahl.
Das Problem: Die Zahl 180 geht nur auf einen internen Verwaltungsbeschluss zurück, der nach außen bisher nie kommuniziert wurde, schriftlich auch nur in internen Verwaltungsdokumenten festgehalten ist und innerhalb der Verwaltung offenbar auch nicht zu jedem Zeitpunkt bekannt war. Beschlossen wurde sie innerhalb der Sozialbehörde – also nicht etwa vom Gesundheitsressort, das 2020 die Obergrenze eingefordert hatte.
Es fehlt an dezentraler Unterbringung
Mehr Klarheit gibt es zur Landesaufnahmestelle Lindenstraße, die 2020 durch den massiven Coronaausbruch überregional bekannt geworden ist. Dort werden seit Herbst die Belegungsgrenzen ganz eindeutig nicht eingehalten, auch laut Behörde. Anfang vergangener Woche lebten dort laut Sozialbehörde 346 statt der erlaubten 250 Menschen.
Sechs Außenstellen gibt es bereits, um die Erstaufnahmestellen zu entlasten, weitere sollen laut Behörde geschaffen werden – ausreichend dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für alle gibt es damit aber nicht. Der Geflüchtetenrat fordert schlicht Wohnungen auch für die neuankommenden Geflüchteten im Asyl- oder im langwierigen Duldungsverfahren.
Denn für Gundula Oerter zeigt auch der aktuelle Ausbruch mit 32 Infizierten: „Alle sind gefährdet, sich anzustecken. Das wird in Kauf genommen“, sagt sie. „Gerade in einer Pandemie, aber auch sonst, ist Massenunterbringung grundsätzlich abzulehnen. Sie gefährdet die Menschenwürde und die körperliche Unversehrtheit.“
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