Universität in Tübingen: Empörender Name
Die Tübinger Eberhard Karls Universität ist eine angesehene Hochschule – doch der Namensgeber war Antisemit. Die Umbenennung ist daher überfällig.
S chon seit den 70er Jahren wird in Tübingen über eine mögliche Umbenennung der Eberhard Karls Universität diskutiert. Diese Debatte, die hauptsächlich von kritischen Studierenden aufrechterhalten wird, führte bisher zu wenigen Ergebnissen.
kam 1998 in Belarus zur Welt und lebt seit 2005 in Deutschland. Sie ist Vizepräsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschlands.
1477 wurde die Uni Tübingen von Eberhard im Bart gegründet. Der Herzog von Württemberg und Teck gilt im württembergischen Raum bis heute als wichtige Identifikationsfigur. Dass er bei Universitätsgründung alle Jüd:innen der Stadt verwies, wird jedoch weder von den Tübinger Bürger:innen noch von den Studierenden wahrgenommen. Die meisten kennen diesen Teil der Geschichte nicht. Manche ignorieren ihn ganz bewusst.
Erst auf Aufforderung des baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten wurde eine Historiker:innenkommission eingesetzt, um zu prüfen, ob der aktuelle Namensgeber mit seiner antisemitischen Haltung herausragend war oder nur mit dem Geiste seiner Zeit ging. Allein, dass diese Frage auf diese Weise gestellt wird, macht zahlreiche jüdische Studierende wütend. Ausgerechnet in einem Land, in dem das Putzen von Stolpersteinen zum eigenen Selbstverständnis gehört.
Der Name einer renommierten Bildungseinrichtung demonstriert eine Haltung und steht für die Werte, die an diesem Ort vermittelt werden sollen. Die Namensgebung ist eine Form der Ehrung. Jüdische Studierende sollen sich damit abfinden, dass ihre Uni einen Antisemiten ehrt.
Was stünde einer Umbenennung im Wege? Offenbar geht es darum, das eigene Ansehen zu wahren und nicht der sogenannten Cancel Culture zum Opfer zu fallen. Sicher fällt es nicht leicht, einen Namen, der das Selbstbild der Tübinger:innen seit 500 Jahren prägte, abzuschaffen. Doch es ist überfällig anzuerkennen, dass es schon lange vor dem Nationalsozialismus Hass und Ausgrenzung in der Stadt gab. Die einzig richtige Konsequenz wäre, es jetzt besser zu machen. Die Streichung des Namens der Universität wäre dabei der angemessene erste Schritt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge