Union verspricht Geldgeschenke: Milliarden, die es gar nicht gibt
Die Fraktion stellt vor der Bayernwahl Entlastungen in Aussicht. Ausgerechnet die Kanzlerin ist aber skeptisch.
MÜNCHEN taz/ap/afp Diesmal konnte die CSU zufrieden sein. Vor zwei Monaten noch endete eine gemeinsame Präsidiumssitzung der Unionsparteien in Erding wegen des Streits um die Pendlerpauschale in einem PR-Debakel. Am Donnerstag nun beschloss die gemeinsame Bundestagsfraktion von CDU und CSU auf einer Vorstandsklausur in München ein milliardenschweres Entlastungspaket, über das sich die christsozialen Wahlkämpfer freuen können. Mehr als zehn Milliarden Euro schon zum 1. Januar 2009, weitere 40 Milliarden Euro in Form von niedrigeren Strompreisen durch längere Laufzeiten für Atomkraftwerke: So sehen die Geldgeschenke aus, die das bayerische Wahlvolk in zweieinhalb Wochen doch noch zur Stimmabgabe für die CSU motivieren sollen.
Der Haken daran: Die Vorhaben sind entweder nicht neu oder kaum realisierbar. In die erste Kategorie gehört die Anhebung von Kindergeld und Kinderfreibetrag, auf die sich die Koalition im Grundsatz bereits verständigt hat, sowie die steuerliche Absetzbarkeit von Krankenkassenbeiträgen, die das Verfassungsgericht vorgegeben hat.
Auch über niedrigere Beiträge für die Arbeitslosenversicherung herrschte in der Koalition eigentlich schon Konsens. Allerdings sollten sie von bisher 3,3 Prozent nur auf 3,0 Prozent sinken, die Unionsfraktion verlangt jetzt 2,8 Prozent. Die auf Koalitionsfrieden bedachte Kanzlerin ging prompt auf Distanz. Das sei ein "ambitionierter Vorschlag", sagte sie in München - eine unterkühlte Bewertung, die sich Fraktionschef Volker Kauder jedoch zu einem "Höchstmaß an Anerkennung" zurechtbog. Auch der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, riet von dem Plan ab. Doch die Strategen hörten lieber auf die Allensbacher Demoskopin Renate Köcher: Die Bürger hätten das Gefühl, bei ihnen komme vom Aufschwung nichts an, dozierte Köcher vor den Unionisten.
Bei der Atomkraft erhofft sich die CDU/CSU-Fraktion von längeren Laufzeiten zusätzliche Gewinne der Stromkonzerne in Höhe von 40 Milliarden Euro in zehn Jahren. Mit diesem Geld sollten die Versorger die Preise senken, sagte Kauder: "Wir wollen, dass alles den Verbrauchern zurückgegeben wird." Den Ausstieg aus dem Atomausstieg könnte die Union allerdings nur in einem Bündnis mit der FDP verwirklichen. Außerdem zog die Atomwirtschaft am Donnerstag die Zahlen in Zweifel. "Wir können diese 40 Milliarden Euro nicht nachvollziehen", sagte RWE-Sprecher Martin Pack. Die Union habe diese Summe wohl "einfach in den Raum gestellt". Auch über die Höhe des Anteils, den die Konzerne abgeben könnten, müsse man noch diskutieren. RAB
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