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Union für Volksabstimmung über die A 100CDU will Volkspartei werden

Die CDU, gegenüber Bürgerbeteiligungen lange skeptisch, will eine Volksbefragung zum Autobahnbau. Rot-Rot lehnt das ab. Grüne: Befragung zu A 100 findet durch Wahl statt

Ist in Berlin eine Mehrheit gegen die Verlängerung der A 100? Bild: dpa

Die CDU will über die umstrittene Verlängerung der Autobahn 100 direkt abstimmen lassen. Nach ihren Vorstellungen soll es parallel zur Abgeordnetenhauswahl am 18. September 2011 eine Volksbefragung geben. Die bräuchte keine aufwändige Unterschriftensammlung oder Verfassungsänderung, wäre aber rechtlich nicht bindend. Doch das ist für Fraktions- und Parteichef Frank Henkel nur ein formales Manko. "Es kann sich keine Regierung leisten, den Willen der Bürger zu ignorieren", sagte er der taz. Die rot-rote Koalition, Grüne und FDP aber lehnen den CDU-Vorschlag ab, mit dem sich nächsten Donnerstag das Abgeordnetenhaus befassen soll.

Ende Oktober hatte bereits der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) angeregt, die Bevölkerung vor politischen Entscheidungen über Großprojekte abstimmen zu lassen. Er begrüße Referenden "im Vorhinein", sagte Wowereit - nicht erst, "wenn alle Entscheidungen getroffen sind". Das wäre der Unterschied zu Volksbegehren, die sich im Nachhinein gegen Entscheidungen des Senats richten. Das war etwa bei der Schließung des Flughafens Tempelhof so. Um ein Vorabreferendum verbindlich zu machen, wäre eine aufwändige Verfassungsänderung nötig: Die bräuchte eine Zweidrittelmehrheit im Parlament und müsste selbst von einer Volksabstimmung abgesegnet werden.

Die bei der A 100 zerstrittene rot-rote Koalition hatte sich im Oktober darauf geeinigt, dass eine endgültige Entscheidung über den Bau des 3,2 Kilometer langen Teilstücks von Neukölln nach Treptow erst nach der Wahl 2011 fallen soll. Die Planungen sollen hingegen weiterlaufen.

Verlängerung der A100

Am geplanten Weiterbau der Autobahn vom Dreieck Neukölln bis zur Elsenbrücke in Treptow wäre die rot-rote Koalition fast geplatzt.

Der Koalitionsvertrag von 2006 sieht zwar einen Weiterbau vor, die Linkspartei sprach sich aber im April dagegen aus. Ein SPD-Parteitag im Juni hingegen unterstützte mit knapper Mehrheit den Bau, dessen Kosten von über 400 Millionen der Bund tragen würde.

Konstant blieb nur die Opposition: CDU und FDP halten genauso eisern am Autobahnbau fest, wie die Grünen ihn ablehnen. (sta)

Gerade weil die Entscheidung auf den Zeitpunkt nach der Wahl vertagt wurde, ist für Grünen-Landeschef Stefan Gelbhaar der CDU-Vorschlag überflüssig: "Am 18. September findet mit der Wahl genau die Volksbefragung statt, die die CDU jetzt fordert." Seine Partei hatte sich in der Vergangenheit für mehr Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie starkgemacht. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann sagte, die weitere Planung müsse in den nächsten Wochen verhindert werden, eine Befragung im September komme zu spät.

Wie Gelbhaar argumentieren auch die sonst Lichtjahre auseinanderliegenden Fraktionschefs von Linkspartei und FDP, Udo Wolf und Christoph Meyer: Die Wahl sei automatisch eine Abstimmung über die A 100, man müsse dazu nicht eine zusätzliche Befragung ansetzen. Es gebe bereits die Möglichkeit, sich beim Planfeststellungsverfahren einzubringen oder ein Volksbegehren gegen die A 100 zu starten, sagte Wolf - "mehr Bürgerbeteiligung ist nicht möglich".

Für den parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler, trifft die CDU zudem eine willkürliche Auswahl: Warum denn dann nicht auch abstimmen über die Charité-Sanierung oder andere Fragen? Wenn überhaupt eine Volksabstimmung, dann müsse ihr Ergebnis verbindlich sein. Auch der Verein Mehr Demokratie sieht wegen der Unverbindlichkeit nur einen undurchdachten Vorschlag. "Wenn das Thema der CDU wirklich am Herzen liegt", sagt Vereinsvorstand Michael Efler, "sollte sie ein Volksbegehren starten, das in eine Volksabstimmung mündet."

CDU-Chef Henkel verteidigt seinen Vorstoß damit, Aufwand und Kosten für eine Volksbefragung parallel zur Wahl seien gering. Er bleibe zwar "leidenschaftlicher Anhänger der repräsentativen Demokratie", sieht aber derzeit in der A-100-Diskussion ein Patt und "einen gordischen Knoten", den man auflösen müsse. In Richtung des möglichen Koalitionspartners sagte Henkel: "Für die Grünen ist das eine große Chance, sich zu Bürgerbeteiligung zu bekennen."

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4 Kommentare

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  • K
    Kai

    Da versteh noch einer die Linken...

  • D
    Daniel

    Natürlich ist das Populismus.

    Aber die Motivation macht doch die Idee nicht schlechter. Ich finde es super, wenn die Bürger mehr direkt mitbestimmen dürfen und nur weil der Vorschlag diesmal von der CDU kommt, bin ich nicht automatisch dagegen. Gerade weil sich bestimmte Kreise der SPD so stark für den A100 Ausbau einsetzen, und die SPD mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer Regierung beteiligt sein wird, sollte es diese Möglichkeit geben.

     

    Ich finde es sogar äußerst schwach von den 3 "linken" Parteien, dass sie an der Stelle kneifen. Das ist einfach nur feige. Volksabstimmungen scheinen für alle Parteien gleichermaßen nur ein politisches Instrument zu sein. Beeindruckt bin ich erst, wenn eine Partei auch nur einmal gegen die eigene Regierungsmöglichkeit das Volk entscheiden lässt.

  • JL
    Joerg Lehnert

    Das ist doch dreist, dass ausgerechnet die CDU, die seit Jahrzehnten verlässlich jeden Versuch blockiert, mehr direkte Demokratie einzuführen, jetzt versucht,mit einer Volksbefragung ihr populistisches Süppchen zu kochen. Damit hat Herr Henkel den Wettbewerb um die populistischste und dümmlichste Idee in der Berliner Politik eröffnet. Keine Angst, es werden verlässlich noch viele weitere Politiker aller Parteien mit ähnlich platten Vorschlägen kommen. Politik ist immer dafür anfällig, vor Wahlen sowieso und ganz besonders in Berlin. Man ist irgendwann von der ganzen Bande nur noch angewidert.

  • E
    EnzoAduro

    Das alte Spiel:

     

    Die Unterlegenen wollen einen Volksentscheid

    Die Überlegenen keinen.

     

    Und das vollkommen unabhängig wie Sie sonst zu Volksentscheiden stehen.

     

    Ich bin trotzdem für einen Volksentscheid. Denn man kann ja wohl zB FÜR die Autobahn sein und trotzdem Linkspartei wählen wollen.

    Unendlich andere Dilemmata sind möglich.