Union-Präsident redet mit den Fans: Absolution für einen Stasi-Soldaten
Der mit Stasi-Vorwürfen konfrontierte Präsident von Union Berlin stellt sich den Fans. Dirk Zingler war es "egal, ob das Ministerium Erich Mielke oder dem Papst unterstand".
BERLIN taz | Beim 1. FC Union Berlin hat es schon viele Fantreffen gegeben. So groß wie am Dienstagabend war der Andrang aber noch nie. 300 bis 350 Leute drängelten sich in zwei Räumen eines Klubs in Berlin-Oberschönweide. Sie alle waren gekommen, um Präsident Dirk Zingler live zu erleben. Knapp zwei Stunden nahm Zingler Stellung. Vor allem ging es um seine dreijährige Armeezeit beim Stasi-Wachregiment zwischen 1983 und 1986. Dieser Dienst hatte in den vergangenen Wochen zu regen Diskussionen geführt, weil Union im Osten als Klub der Widerständler galt.
"Meine Biographie ist so wie sie ist. Mir war egal, ob das Ministerium Erich Mielke, Erich Honecker oder dem Papst unterstand", sagte Zingler, der nach anfänglicher Nervosität immer sicherer wurde. Das lag auch daran, dass die Mehrzahl der Anwesenden Zingler die "Jugendsünde" verzeihen wollte. "Ich war nie informeller oder hauptamtlicher Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR. Seit März 1986 nach dem Ende meines Wehrdienstes hatte ich keinen Kontakt mehr zu Stasi", sagte Zingler.
Die Frage eines Anhängers aus Karow, ob denn noch andere Dinge an die Öffentlichkeit gelangen könnten, verneinte Zingler. Der Geschäftsführer einer Betonfirma plauderte aus dem Nähkästchen. Zingler legte sogar seine Verwandtschaftsverhältnisse offen. So seien beispielsweise Bruder und Schwager in der DDR Bausoldaten gewesen und er habe in seiner Armeezeit 183 Wachen in Berlin-Buch vor dem DDR-Regierungskrankenhaus geschoben. Zingler: "Es war relativ langweilig."
Der Vereinschef räumte aber auch Zweifel ein: "Ich habe mir die Frage gestellt, ob ich den Zeitpunkt verpasst habe, es öffentlich mitzuteilen. Aber wann hätte ich es wo sagen sollen?" Vielleicht beim Rauswurf des Hauptsponsors ISP, dessen Geschäftsführer hauptamtlich bei der Stasi tätig war. Stasi und Union. Das passe nicht zusammen, hieß es bei der Trennung 2009 in der Alten Försterei.
"Wenn ich gewusst hätte, dass dieser Vorgang so eine Bedeutung hat, wäre ich anders damit umgegangen", sagte Zingler zu dieser verpassten Chance. Dann wollte ein Union-Fan noch wissen, ob nach der Causa Zingler nun vielleicht auch noch eine Fanfreundschaft mit dem ehemaligen Stasi-Klub BFC Dynamo drin sei. Aber soweit wird es nicht kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste