piwik no script img

Union-Freundeskreis„Heute ist mir das zu fett“

Torsten Hradecky ist Theatermeister an der Staatsoper und Mitglied des Union-Freundeskreises der Berliner Theater. Ein Gespräch übers Union-Weihnachtssingen.

Sie können auch singen, die Mannen vom 1. FC Union Berlin – sogar Weihnachtslieder! Foto: DPA
Interview von Gunnar Leue

taz: Sie gehören zu den Unioner Opernfreunden …

Torsten Hradecky: … nicht ganz, wir nennen uns „Union-Freundeskreis der Berliner Theater“. Wir sind einfach ein Zusammenschluss von Union-Fans, die an Berliner Theatern arbeiten, vom Bühnenbildner bis zum Intendanten. Unsere zusammengewürfelte Truppe verteilt sich über mehrere Häuser: Deutsches Theater, Deutsche Oper und Staatsoper, wo ich als Theatermeister für die ganze Bühnentechnik zuständig bin.

Von der Volksbühne, wo im Januar die 50-Jahr-Feier des Vereins stattfand, ist keiner dabei?

Bisher nicht, aber wer will, kann sich uns anschließen. Wir gehen so oft wie möglich gemeinsam ins Stadion oder mal zu einem Auswärtsspiel, allerdings nie alle zusammen wegen der Dienste. Wenn’s ungünstig läuft, kann gar keiner.

Aber das Weihnachtssingen ist für Sie ein fester Termin?

Nein, vor Heiligabend kriegen wir nicht frei. Da sind die Vorstellungen voll, weil sie viele Besucher mit Weihnachtsfeiern verbinden. Bei uns läuft am 23. die „Zauberflöte“, da habe ich auch Dienst.

Zum Weihnachtssingen waren Sie aber schon mal?

Im Interview: Torsten Hradecky

54, wurde als Junge aus Weißensee 1976 Union-Fan. Seit fast 20 Jahren ist der heute in Hellersdorf Wohnende auch Mitglied des Vereins. An der Staatsoper arbeitet er seit 30 Jahren, jetzt als Theatermeister für die Bühnentechnik.

Na klar! Gleich im zweiten Jahr, 2004, als es noch familiär war. Auch 2008, als wir während des Stadionumbaus vorm Köpenicker Rathaus sangen, war ich dabei. Jetzt mit 28.000 Leuten im Stadion ist mir das zu heftig. Ein Bekannter hat mal erzählt, wie er schiefe Blicke von der Seite bekam, als er beim Weihnachtssingen einen Unionfangesang anstimmte. Das muss ich mir nicht antun. Ein bisschen Respekt gegenüber dem Verein sollte man schon haben. Ich bin ja seit 1976 Fan und habe auch die ganzen Niederungen des Vereins mit durchwandert.

Ist Ihnen das Weihnachtssingen zu sehr Event?

Ich sag mal so, es hat ein Ausmaß angenommen, das ich kritisch sehe. Denn der Ursprungsgedanke war mal ein ganz anderer. Es begann ja, als der Verein schlecht dastand und Torsten Eisenbeiser und die anderen Leute vom Fanklub Alt-Unioner spontan über den Stadionzaun geklettert sind, um für sich zu singen. Das war Union. Heute ist mir das zu fett. Aber wer will, soll natürlich hingehen.

Fußball ist ja mehr denn je Event und Dauerthema. Wie ist das an der Staatsoper?

Als ich 1985 hier begann, war Fußball auf der Arbeit gar kein Thema. Heute ist das anders. Da verabredet sich der Beleuchtungsmeister schon mal mit dem Regisseur Wim Wenders in der Alten Försterei, weil ihr Lieblingsteam Fortuna Düsseldorf dort spielt. Oder wir Union-Fans hatten mal versucht, den Hauptdarsteller im Gaetano-Donizetti-Stück „Liebestrank“ in ein Union-Trikot zu stecken. Eigentlich hat der ja ein Trikot von Parma an, weil es in Italien spielt. Aber das funktionierte nicht, weil die Erben des Komponisten auf dem Originalkostümbild bestanden. Wir sind ja Mitarbeiter aus 56 Ländern und aus ganz Deutschland, da hat jeder seinen Verein, und darüber wird dann viel geredet. Darüber steht natürlich unsere gemeinsame Liebe zur Kunst.

Sind Sie selbst Opernfan?

Union-Weihnachtssingen

Das Union-Weihnachtssingen findet traditionell am Abend des 23. Dezembers im Stadion An der Alten Försterei statt. 2003 waren erstmals 89 Union-Fans über den Zaun des damals noch maroden Stadions geklettert und haben – zur eigenen Beglückung in sportlich schwieriger Zeit – Weihnachtslieder gesungen. Inzwischen ist daraus ein Massenevent mit 28.000 Menschen geworden, zu dem auch Gäste aus dem Ausland kommen und das Nachahmer bei anderen Fußballvereinen fand. Tickets sind leider schon ausverkauft. (gl)

Klar, aber nicht „Zauberflöte“. Die hört man mal beim Saubermachen oder so. Ich liebe Wagner.

Oper und Fußball hatten ja lange Zeit keine Berührungspunkte. Inzwischen werden zum Beispiel in Dortmund sogar Fußballopern aufgeführt. Ist das Anbiederei der Hochkulturfraktion oder okay?

Also, ich begrüße es, wenn sich die Theater öffnen. Auch die Theaterstücke zur Union-Geschichte, die sie in Köpenick aufführen, finde ich gut. Viele denken ja, Fußballfans sind alles Proleten, die sich nicht für Theater interessieren. Stimmt aber nicht.

Werben Sie unter Union-Fans manchmal für die Staatsoper?

Ja, es gibt günstige Dienstkarten oder Tickets für öffentliche Generalproben, da frage ich schon mal, ob die nicht jemand möchte. Selbst zum Ballett sind Union-Kumpels schon gekommen. Manche müssen sich überwinden, aber wenn der erste Schritt gemacht ist, stellen sie fest, das es im Theater gar nicht so steif zugeht. Am Ende waren immer alle begeistert.

Weiß Generalmusikdirektor Daniel Barenboim eigentlich von dem Union-Freundeskreis in seinem Haus?

Ne, bestimmt nicht. Ich weiß gar nicht, ob der sich überhaupt für Fußball interessiert.

Vielleicht würde er das Weihnachtssingen gut finden.

Keine Ahnung. Unser Intendant Jürgen Flimm findet es auf jeden Fall gut. Der war ja früher mehr Fan von St. Pauli und Bremen und wurde dann von uns Unionern umgepolt. In seinem Büro hängt sogar ein Union-Fähnchen im Fenster.

Der schnelle, auch von Unionfans unterstützte Stadionumbau in Köpenick sorgte vor Jahren für positive Schlagzeilen, der Staatsoper-Umbau ist ein Desaster. Ihr Kommentar?

Was soll ich da sagen? Wir hoffen und bangen, dass wir bald vom Schillertheater in unser Stammhaus zurückkönnen. So wie wir damals auch aus dem Jahnsportpark zurück nach Hause an die Alte Försterei wollten. Für mich ist es schon die zweite Sanierung. 1985/86 wurden 700 Fachleute und Handwerker von der Armee geschickt, da arbeiteten im Bühnenbereich 100 Leute gleichzeitig. Wenn du heute auf der Baustelle vorbeischaust, siehst du niemanden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!