Union Berlin: Standbild und Stillstand
Nach einem erfolgreichen Saisonstart gelingt Union Berlin im Heimspiel gegen den Wuppertaler SV so gut wie gar nichts. Selbst ein Elfmetergeschenk bleibt ungenutzt.
Für die Zuschauer muss sich der Stadionbesuch wie ein Strandurlaubstag angefühlt haben. Die Sonne knallte in den Jahnsportpark und bräunte gut 5.000 Menschen. Reihum wurde nach Sonnencreme gefragt. Passiert war letztlich nichts am Samstagnachmittag im Prenzlauer Berg. Union Berlin und der Wuppertaler SV trennten sich 0:0.
Der Elfmeterspezialist Nico Patschinski wäre einer gewesen, der dieser sommerlichen Ereignisleere ein Ende hätte setzen können. Schiedsrichter Stefan Schempershauwe hatte nämlich in der 65. Minute auf Strafstoß für Union entschieden, obwohl eigentlich wieder einmal nichts passiert war. So sah es selbst der Berliner Trainer Uwe Neuhaus: "Wir haben das Geschenk leider nicht angenommen." Nach der gestrengen Interpretation des Unparteiischen hatte ein Wuppertaler Abwehrspieler den Unioner Hüzeyfe Dogan gehalten.
Patschinski jedoch schoss aus elf Metern den Ball steil übers Tor. "Symptomatisch für diese Partie" fand der Unions Sportdirektor. Dabei hätte Patschinski mit einem Treffer so viel bewirken können. Mit einem Sieg hätten sich die Köpenicker nämlich in der Spitzengruppe der neu geschaffenen dritten Profiliga festgesetzt. Es wäre der dritte Heimerfolg in Serie im so ungeliebten Ausweichstadion, dem Jahnsportpark, gewesen - die Alte Försterei in Köpenick wird zurzeit von den eigenen Fans umgebaut. An der Stätte aber, wo einst der verhasste Rivale, der zu DDR-Zeiten vom SED-Regime begünstigte Berliner FC Dynamo spielte, hätten die Unioner eine Euphoriewelle um ihren Club auslösen können. Und schließlich wäre Patschinski selbst mit einem Treffer am meisten geholfen gewesen. Denn vor der Partie kursierten Gerüchte, der Stürmer habe schon bei Erzgebirge Aue einen Vertrag unterschrieben und Berlin verlassen.
Intern hat der 31-Jährige zwar laut Vereinsverantwortlichen dies deutlich als Unsinn abgetan. Öffentlich aber macht er eher auf Unstimmigkeiten aufmerksam. Nach dem Spiel gegen Wuppertal erklärte er, bei Union würde viel geredet werden, nur nicht direkt miteinander. Und er fügte hinzu: "Wenn andere nix dagegen haben, bleibe ich gerne." Patschinski, dem zuletzt vom Trainer Uwe Neuhaus mangelnder Einsatz vorgeworfen wurde, würde sich gerne mal wieder den Bauch pinseln lassen. Mit dem entscheidenden Siegtor hätte sich der ein oder andere gewiss dazu bereit gefunden. So aber stöhnte Neuhaus genervt auf, als ihm das Zitat von Patschinski hinterbracht wurde.
Für Union Berlin war dies ein Tag des Stillstandes. Nichts illustrierte dies besser als die elektronische Anzeigetafel, auf der über 90 Minuten ein Standbild aus dem heimischen Stadion, der Alten Försterei, eingeblendet war. Zu sehen war das alte Backsteinhäuschen, an dem der Spielstand noch manuell verändert wird. Aber zu verändern gab es ja bekanntlich nichts. Sportdirektor Christian Beeck war am Ende sogar noch froh darüber: "Normalerweise verlierst du dann noch so eine Partie." Soweit kam es nur deshalb nicht, weil die Wuppertaler die Berliner in ihrer Einfallslosigkeit noch überboten. Auf beiden Seiten glichen die lang geschlagenen Pässe nach vorne eher Befreiungsschlägen und das Spiel auf engstem Raum wurde häufig durch kleine Fouls unterbunden. Beeck fasste knackig zusammen: "Es war ein Treterspiel." Solche Begegnungen gehörten eben auch zum Alltag in der Dritten Liga, gab Trainer Neuhaus zu bedenken.
Er wollte diese Feststellung aber nicht als Aufruf zur neuen Bescheidenheit missverstanden wissen. Neuhaus sagte, wenn die verletzten Stürmer Dustin Heun und Steven Jahn wieder zurückkehren würden, verfüge er wieder über mehr Optionen. Das wäre im Spiel gegen Wuppertal auch schon von Vorteil gewesen. Eine Randbemerkung, die man getrost auch als Seitenhieb gegen Nico Patschinski verstehen konnte.
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