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Uniabsolventen finden JobsBrotlos? Von wegen!

Zehn Jahre nach dem Examen ist laut einer Studie nur ein Prozent aller Hochschulabsolventen ohne Job. Aber die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern sind enorm.

Gute Nachrichten, liebe Ethnologie-Studenten: Taxifahrer werden nur die Wenigsten von Euch! Bild: ap

BERLIN taz Das Klischee vom beruflich erfolglosen Akademiker scheint unausrottbar. Stets kennt jemand einen Bekannten, der jemanden kennt, der trotz Einser-Examen Taxi fahren oder gar bei RTL 2 arbeiten müsse. Vielleicht schaffen es die Ergebnisse einer neuen Studie, dieses Vorurteil anzukratzen. Diese besagt, dass Hochschulabsolventen langfristig so gut wie nie arbeitslos sind, überdurchschnittlich viel verdienen und zufrieden mit ihrem Job sind. Doch bei der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern hapert es sehr, und die Lohnunterschiede sind enorm.

Der Forschungsdienstleister Hochschul-Informations-System hat im Auftrag des Bundesbildungsministeriums über Jahre hinweg Uni- und Fachhochschul-Absolventen des Jahres 1997 befragt. Herausgekommen ist eine Langzeitstudie mit fast 5.500 Befragten aus vielen Fachrichtungen, deren Ergebnisse am Mittwoch veröffentlicht wurden.

Demnach haben zehn Jahre nach dem Examen 91 Prozent der FH- und 89 Prozent der Uni-Absolventen einen Job. Nur ein Prozent war arbeitslos. Viele Akademiker gewinnen fünf bis zehn Jahre nach dem Examen die Gewissheit, in ihrem Job eine langfristige Perspektive zu haben.

Rund 95 Prozent der Männer arbeiteten, aber nur rund 80 Prozent der Frauen. Sie gaben als Gründe Hausarbeit oder Elternzeit an. Das Fazit der Studie zum Thema Gleichberechtigung klingt entsprechend ernüchternd: "Die mit der Familiengründung und -betreuung einhergehenden zusätzlichen Belastungen werden offensichtlich fast ausschließlich von Frauen getragen, die ihre Erwerbstätigkeiten dafür meistens zeitweise aufgeben." Zehn Jahre nach dem Studium haben 62 Prozent der Frauen und 59 Prozent der Männer ein Kind oder mehrere. Von denen, die zu diesem Zeitpunkt keine Eltern sind, wünscht sich die Hälfte eine Familie.

Arbeitslosigkeit kennt die Mehrheit der Absolventen von 1997 nicht aus eigener Erfahrung. Und wenn doch, dann meist als wenige Monate dauerndes Intermezzo direkt nach dem Studium, wenn sie auf ein zweites Staatsexamen oder eine Doktorandenstelle warten. Ausnahmen gibt es natürlich auch: Überdurchschnittlich häufig arbeitslos waren laut Studie Ex-Studenten "baubezogener Fachrichtungen" und der Agrar- und Ernährungswissenschaften an Unis und Fachhochschulen. Außerdem Biologen, Pädagogen und Absolventen von Magisterstudiengängen.

Akademiker verdienen zehn Jahre nach dem Examen sehr gut. Fachhochschul-Absolventen haben inklusive aller Zulagen im Schnitt ein Bruttoeinkommen von 60.000 Euro, Uni-Akademiker sogar von 64.000 Euro. Im Verhältnis zu anderen FHlern besonders schlecht verdienen dort ausgebildete Architekten, nämlich 30 bis 40 Prozent weniger. Ähnlich sieht es bei Pädagogen aus, wenn man ihre Gehälter mit denen anderer Uni-Absolventen vergleicht.

21 Prozent der Befragten haben erfolgreich promoviert. Jeder Sechste hat den Versuch abgebrochen. Die meisten gaben an, aus Forschungsinteresse den Doktortitel anzustreben, um ihre Berufschancen zu erhöhen oder weil sie sich davon eine "persönlichkeitsbildende Wirkung" erhofften. Vielleicht verstecken sich unter den Doktoranden und Doktoren ja die hochgebildeten Taxifahrer: Immerhin sechs Prozent von ihnen gaben an, sie sähen in ihrem Titelstreben gar keinen Nutzen. MATTHIAS LOHRE

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8 Kommentare

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  • FK
    frau k

    "...nur etwa jede/r zehnte Absolvent/in ist inadäquat beschäftigt." ein Zitat der Website des Hochschul-Informations-Systems.

    Nun lässt sich noch um die Definition für den Begriff "inadäquat" streiten, aber wer näheres Interesse hat, kann sich ja auch noch anderweitig weiterinformieren.

    Der Bericht ist online einsehbar und ich empfinde ihn als gut dargestellt durch den Autor.

  • F
    Frank

    Äh... schon mal was von repräsentativer Stichprobe gehört, Kommentatoren I und II?

    Nicht zu fassen...

  • WR
    Wolfram R.

    Erst veröffentlicht der Staat eine beschönigende Studie, und der TAZ-Autor verzerrt den Inhalt dann auch noch ein bischen, damit er einen schönen Aufhänger hat.

     

    Es wird durch die Pauschalisierung und das angebliche Aufräumen mit einem Vorurteil suggeriert, dass die Chancen von vor -- sage und schreibe -- zwölf Jahren noch die gleichen wären wie heute. Dass die Mehrheit der damaligen Absolventen (was auch immer das heisst, das könnte auch "gut die Hälfte" sein) keine Probleme hatte, einen Arbeitsplatz zu finden wundert mich nicht.

     

    Über die Chancen von heutigen Absolventen sagt das leider rein gar nichts aus. Immerhin wird aber zugegeben, dass es durchaus einige tendenziell brotlosere Studiengänge gibt, und damit dann doch noch das Vorurteil im Nachhinein bestätigt, dass ein Uni-Abschluss eben doch kein Garant für einen Job ist -- vor zwölf Jahren nicht, und heute schon gar nicht.

  • SB
    Siegfried Bosch

    "Aber die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern sind enorm": Wo steht im Artikel eigentlich etwas darüber? Ich kann nur etwas darüber lesen, dass überwiegend Frauen wegen der Familie aus dem Beruf aussteigen. Und wann lernt die TAZ endlich einmal, dass es einen Unterschied zwischen Gleichberechtigung und Ergebnisgleichheit gibt ("Das Fazit der Studie zum Thema Gleichberechtigung klingt entsprechend ernüchternd" ist deshalb deplaziert, schließlich sagt die Tatsache, dass überwiegend Frauen aus dem Beruf ausscheiden, nicht aus, dass es sich hierbei nicht um individuelle, freiwillig getroffene Entscheidungen handelt!)?

  • F
    florian

    Und die armen Pädagogen sind zumeist verbeamtete Lehrer - und haben naturgemäß ein niedrigeres Bruttogehalt. Darauf hätten die Ersteller der Studie oder spätestens der Journalist kommen müssen!

  • S
    statistik

    Hach, wann wird man endlich begreifen, das Umfragen und Studien nicht taugen, um haltbare Aussagen über herrschende Zustände zu treffen.

     

    Arbeitslose Akademiker sind also eine Mär. Und das belegt die Studie mit sage und schreibe 5.500 Befragten. Doll. Viele hätten eine langfristige Perspektive. Wie viele sind denn genau: viele? Und wie wird das Bruttoeinkommen berechnet? Wird da das Verdienst des Firmenchefs mit dem des Sozialarbeiters zusammen geschmissen und ein Mittelwert errechnet?

     

    Wie viele Akademiker arbeiten eigentlich bei der taz? Verdienen die alle 60.000€ Brutto im Jahr?

  • I
    IhrName

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    war wahrscheinlich ein toller jahrgang mit nur 6000 geprueften flaschen , der rest wurde wohl ins lokus geschuettet

  • A
    andreas

    ..mache darauf aufmerksam, dass in der Studie offenbar nicht Rede davon ist, wieviele der 89% arbeitenden Absolventen keine Taxi-Jobs haben; auch jemand der bei RTL2 den Boden schrubbt, 'arbeitet', es ist wie immer diese Unfaehigkeit, Statistiken richtig zu lesen, der Taxifahrer wird durch die Studie simplerweise gar nicht identifiziert, denn auch damit kann man 'gut' verdienen.