Uni-Mitarbeiterin über Internet im Knast: „Die Leitungen sind getunnelt“
Kirsten Pinkvoss, an der Fernuniversität Hagen zuständig für studierende Häftlinge, sieht keine Gefahr des Netzmissbrauchs. Geprüft wird auch in Videokonferenzen.
taz: Frau Pinkvoss, seit Sommersemester 2006 brauchen alle Studenten der Fernuni Hagen einen Internetzugang. Warum?
Kirsten Pinkvoss: Die Kommunikation mit Dozenten und Kommilitonen läuft inzwischen über das Internet, so wie administrative Angelegenheiten auch. Per Post verschicken wir nur noch die Studienbriefe, die die Studierenden durcharbeiten müssen.
Die Gefängnisse lassen ihre Häftlinge aber ungern ans Internet – auch nicht über eingeschränkte Zugänge.
Am Anfang machten sich die JVAs Sorgen, dass die Inhaftieren über das Netz mit unerwünschten Personen kommunizieren könnten. Aber wir sprechen von getunnelten Leitungen, die ausschließlich auf die Seiten der Fernuni Hagen führen. Da ist das kein Problem.
Missbrauchen die Studierenden nicht diese Gelegenheit, ins Netz zu gehen?
Uns ist kein Fall bekannt.
In wie vielen Gefängnissen können Häftlinge derzeit studieren?
Bis jetzt haben acht JVAs Studienzentren mit getunnelten Zugängen eingerichtet. Die erste war die JVA Tegel. In Einzelfällen durften Inhaftiere, die schon länger eingeschrieben sind, auch ohne Internetzugang weiterstudieren. Dazu kommen Inhaftierte, die im offenen Vollzug sitzen und tagsüber in einem unserer Regionalzentren lernen können. Insgesamt haben wir rund 100 Studenten in Gefängnissen.
Schreiben die Studenten auch ihre Prüfungen im Knast?
Ja. Zu mündlichen Prüfungen werden sie teilweise mit Bewachern zu uns nach Hagen gebracht. Inzwischen machen wir aber auch viel über Videokonferenzen; die sind günstiger und besser planbar.
Wer bezahlt das Studium?
Die Kosten der Fernuni selbst trägt das Land Nordrhein-Westfalen. Die Computer und Leitungen in der JVA bezahlt das jeweilige Bundesland, die Kursgebühren zahlt der Inhaftierte selbst.
Und wie erfolgreich sind die Studenten hinter Gittern?
Dazu haben wir keine Zahlen. Aber es gibt zum Beispiel einen Alumnus aus Nordrhein-Westfalen, der in der JVA studiert hat und nach der Haftentlassung heute an einer Hochschule arbeitet.
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