Unglück in Bangladesch: Tödliche Billigklamotten
Ein Fabrikbrand in Bangladesch hat mindestens 115 Menschen das Leben gekostet. Die Ursache ist noch unklar. Das Land ist der zweitgrößte Textilexporteur der Welt.
DHAKA/BERLIN dapd/dpa/taz | Erneut sind zahlreiche Menschen bei einem Brand in einer Textilfabrik ums Leben gekommen, die für internationale Ketten produziert. Dieses Mal starben mindestens 109 Menschen in Bangladesch, nachdem am Samstagabend in einem mehrstöckigen Gebäude der Firma Tazreen Fashions ein Feuer ausgebrochen war. „Die Fabrik hatte drei Treppenhäuser und alle führten ins Erdgeschoss“, sagte ein Feuerwehrsprecher. Dort habe der Brand aber begonnen, sodass es keine Fluchtmöglichkeiten gegeben habe. Deshalb sprangen mehrere Menschen aus den Fenstern der oberen Stockwerke und verletzten sich dabei tödlich.
Die 2009 erbaute Fabrik am Rand der Hauptstadt Dhaka gehört zur Tuba Group, die laut Unternehmenshomepage unter anderem für C&A, Carrefour und Walmart produziert. C&A-Sprecher Thorsten Rolfes bestätigte, die Fabrik sei beauftragt gewesen, 220.000 Sweatshirts für die brasilianische Niederlassung der Bekleidungskette herzustellen.
Laut der Kampagne für Saubere Kleidung kam es seit dem Jahr 2005 zu sieben tödlichen Bränden und Fabrikeinstürzen in Bangladesch, bei denen insgesamt 145 Menschen starben. Die vielen Toten seien mit mangelhaften Sicherheitsmaßnahmen zu erklären. Ein Sprecher von Tazreen Fashion dagegen erklärte vor Kameras, der Betrieb habe EU-Standards eingehalten. Der Verband der Textilhersteller und die Vereinigung der Exporteure kündigten Hilfen für die Familien der Opfer an.
3,5 Millionen Textilarbeiter
In Bangladesch stehen fast 5000 Textilfabriken mit 3,5 Millionen Beschäftigten, hauptsächlich jungen Frauen. Sicherheitsvorkehrungen gibt es in vielen der Betriebe nicht. Nichtregierungsorganisationen prangern mangelnde Kontrollen durch Arbeitsinspektoren an. Gewerkschaften würden meistens nicht toleriert.
Tatsächlich hatte ein Gutachten über ethisches Beschaffungswesen im vergangenen Jahr dringende Verbesserungen bei Tazreen Fashions angemahnt. Sonst würde das Unternehmen von der Liste der Lieferanten für den Kaufhauskonzern Wal-Mart gestrichen. Das auf der Unternehmenswebsite gespeicherte Dokument nennt allerdings nicht die Art der Verletzungen.
Textilien sind das wichtigste Exportprodukt des Landes. Allein Deutschland importierte nach Angaben des Statistischen Bundesamts im Jahr 2011 Bekleidung im Wert von 2,8 Milliarden Euro von dort. Inzwischen steht Bangladesch nach China auf dem zweiten Platz der Textilexporteure - nicht zuletzt dank der Löhne, die dem Radiosender Voice of America zufolge bei umgerechnet 28 Euro im Monat beginnen und damit noch niedriger als in anderen asiatischen Ländern sind. Im Sommer war es zu Protesten gegen die geringen Löhne und miesen Arbeitsbedingungen gekommen, in deren Verlauf hunderte Fabriken zeitweilig schließen mussten.
Erst im September war es in Pakistan zu einem Brand in einer Textilfabrik gekommen, die unter anderem für den deutschen Bekleidungs-Discounter Kik produziert hatte, bei dem 259 Menschen ums Leben kamen.
Im September hatte H&M-Chef Karl-Johan Persson Regierungschefin Sheikh Hasina zur Anhebung des Mindestlohns aufgefordert. Wirtschaftsexperten warnen bereits, die Textilindustrie des Landes könnte unter Druck geraten, wenn es nicht zu Verbesserungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen kommt.
Leser*innenkommentare
aleister
Gast
in diesem zusammenhang sind natürlich auch die schönungen im gerade vorgestellten armutsbericht des arbeitsministeriums zu sehen.
es erscheint so, als würden sich beide aspekte gegenseitig bedingen und sind vom politisch-industriellem komplex genau so gewollt. globalisierte preisdrückerei und sklavenhaltertum also als ein mittel der existenzsicherung des immer größer werdenden prekariats in der ersten welt, zur ruhigstellung der masse bei gleichzeitiger radikaler gewinnprivatisierung.
bisher wird vermieden, diesen zusammenhang zu beleuchten. stattdessen hört man in all der gestrigen empörung der bildungsbürgerlichen, zu diesem thema nur so qualifizierte wortmeldungen, wie zbsp im d-radio irgendwelche norddeutschen philosophieprofessoren (mit dementsprechenden gehalt), die dann der allgemeinheit mit gelangweilter stimme raten doch auf den kauf einer 12-euro-jeans zu verzichten, da dieser preis ethisch nicht vertretbar ist und doch lieber 2 oder 5 oder 10 euro mehr (also super ethisch!) auszugeben, weil das dann "ein besseres gefühl gibt". also ehrlich...eine grundlegendere analyse wäre wünschenswert und nicht immer nur dieses lauwarme "der verbraucher muß sich informieren!". der verbraucher wird gezielt getäuscht (siehe u.a. auch stiftung warentest)
Wolfgang
Gast
Die (u. a. deutsch-europäischen) Wohlstandskunden konsumieren billig. Die Differenz zum Hungerlohn und fehlenden Arbeits-, Gesundheits-, Unfall- und Menschenschutz sorgt für satte Profite und Dividenden. Mehr interessiert den Konsumenten, die Bourgeoisie und Aktionäre nicht.
Die gutbezahlte Wirtschafts-, Parteien-, Regierungs- und Parlamentspolitik sorgt für die Verschleierung der Zusammenhänge und für die notwendige ideologisch-bürgerliche und 'menschenrechtliche' Kosmetik.
Auch weiterhin die (objektive) Realität?
Maria
Gast
Und die Regierung wird mal wieder nichts unternehmen. Davon kann man jetzt schon ausgehen. Anstatt auf Brandschutz zu achten wird lieber geschwiegen...