Unglück auf der Loveparade: Risiken wurden ignoriert
Ein Experte hatte schon Monate vor der Tragödie auf der Loveparade vor "Verletzten, sogar Toten" gewarnt. Im offiziellen Bericht taucht die Warnung nicht auf.
DÜSSELDORF taz | Der Schlagabtausch im Rechtsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags am Mittwoch zur Duisburger Loveparade war heftig: Landesjustizminister Thomas Kutschaty (SPD) musste sich einer Attacke des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Peter Biesenbach, erwehren.
Ob es ihm "selber nicht ein bisschen peinlich" sei, den 450 Seiten starken Zwischenbericht der Duisburger Staatsanwaltschaft als "vertraulich" zu klassifizieren, fragte Biesenbach. Das sei ein Versuch, "die Arbeit des Parlaments zu blockieren". Kutschatys Antwort: "Sie werden mich durch ihr Genöle nicht dazu nötigen, mich strafbar zu machen." Auf die Veröffentlichung des Berichts stünde nach dem Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Dilemma der Ausschussmitglieder: Während nur von den Landtagsfraktionen ausgewählte und zur Verschwiegenheit verpflichtete Obleute Einsicht in den Ermittlungsbericht bekommen sollen, wird in den Medien aus dem vom Januar dieses Jahres datierenden Papier bereits zitiert. So sickern immer mehr Details an die Öffentlichkeit, die zeigen: Eine Mischung aus Größenwahn, Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit hat vor knapp einem Jahr zur Tragödie geführt, bei der 21 Menschen ihr Leben verloren.
Gestern wurde nun bekannt, dass Klaus Schäfer, ehemaliger Leiter des Dortmunder Instituts für Feuerwehr- und Rettungstechnologie, schon auf einem Sicherheitsworkshop der Stadt Duisburg im März 2010 gewarnt hatte, der Tunnel-Zugang zur Veranstaltung sei "Irrsinn". Es könne "Verletzte, vielleicht sogar Tote" geben. Die Loveparade in Duisburg dürfe nicht genehmigt werden.
Brisant: Im "Bericht zur Untersuchung des Verwaltungshandelns auf Seiten der Stadt", den sich Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) im September 2010 für mehrere hunderttausend Euro von einer Anwaltskanzlei schrieben ließ, tauchen Workshop und Schäfers Warnungen nicht auf.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen 16 Beschuldigte. Mit einer Anklageerhebung ist frühestens 2012 zu rechnen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören