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■ Strafjustiz und NS-GeschichteUnglaublich! Unerhört!

Ein Skandal ist zu vermelden – einer aus der so wohlvertrauten wie unerschöpflichen Gattung „Justiz und Nationalsozialismus“. Wieder einmal haben deutsche Richter, und noch dazu die höchsten Strafrichter der Republik, die widerwärtige Hetze eines Faschisten mit formaljuristischen Spitzfindigkeiten salviert. Die deutsche Justiz – eine tragende Rechtsstütze der Faschistenbrut. Ja, so einfach ist das – am Stammtisch der antifaschistischen, philosemitischen Empörung. Nüchtern betrachtet ist nichts als dies geschehen: Der erste Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat ein Urteil des Landgerichts Mannheim gegen den NPD-Vorsitzenden Deckert aufgehoben. Es geht um komplizierte Fragen der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, der Aufstachelung zum Rassenhaß – und um den Volksverhetzungsparagraphen, der die schärfste Strafandrohung enthält.

Dem Rechtsstreit ging eine ebenso bizarre wie öde Szene voraus: Da referiert ein selbsternannter US- amerikanischer „Hinrichtungsexperte“ über die Gaskammern. Sein deutscher Gastgeber übersetzt diesen Unfug – und delektiert sich an der selbstbestellten „Auschwitz-Lüge“. Ob der das darf? Weil hierzulande nichts näherliegt als diese Frage und man das Ohrfeigenverteilen lieber Frau Klarsfeld überläßt, gerät politische Idiotie des beschriebenen Kalibers in die Mühlen der Strafjustiz. Das garantiert ein Höchstmaß an Entpolitisierung und feingesponnene, kaum nachvollziehbare juristische Definitionen. Doch aufgepaßt: Dauerempörung läuft leer. Soweit die Urteilsgründe bekannt sind, hat der BGH eine recht unspektakuläre Entscheidung getroffen. Das Landgericht Mannheim warf Deckert allzu pauschal „Revisionismus“ vor. Dies aber, rügt der BGH, sei nicht ohne weiteres als „Volksverhetzung“ einzustufen.

Nein, der „Nationaldemokrat“ Deckert gibt kein gutes Exempel für die immer weniger treffende These ab, die deutsche Justiz treibe es mit neonazistischen Sektierern. Der Mann wird ohnehin zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden – einerlei, welche Paragraphennummern im Urteilstenor stehen. Wen die Aussetzung der Strafe zur Bewährung stört, sollte bedenken, daß ein Jahr Gefängnis für ein Propagandadelikt nicht von Pappe ist. Noch irgendein Repressionsbedürfnis unbefriedigt? Deckert, seines Zeichens Oberstudienrat, wurde immerhin aus dem Schuldienst entlassen. Soweit wir wissen, wegen seiner außerdienstlichen politischen Betätigung für eine legale Partei, die NPD. Ein klarer Fall von Berufsverbot also. Noch immer nicht genug? Jammerschade, daß man sie nicht auf eine Abschiebeliste setzen kann ... Wie gesagt, ein Skandal ist zu vermelden. Er ist bei jenen zu suchen, die am schrillsten die Leier ihres hohlen Antifaschismus drehen. Horst Meier

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