: Ungeliebtem Blickfang droht der Abriß
Oldenburgs sozialdemokratisch geführte Stadtregierung will Mahnmal der IG-Metall-Jugend am Pferdemarkt entfernen / Mahnwachen sollen die Gedenkstätte vor Abriß-Kommando schützen / IG-Metall-Denkmal entspricht nicht den Vorstellungen der Oldenburger Sozis ■ Aus Oldenburg Andreas Hoetzel
Den Reisenden, die bislang aus Donnerschwee in die Oldenburger Innenstadt fuhren, war das Denkmal ein vertrauter Anblick. „Nie wieder Faschismus - gegen Ausländerfeindlichkeit - gegen Rassismus“ stand dort in großen Lettern, weiß auf schwarz geschrieben. Ein schlichtes Dreieck, nicht zu übersehen, inmitten einer Verkehrsinsel am dicht befahrenenen Pferdemarkt. Seit dem späten Mittwoch nachmittag ist das Denkmal gut beschützt. Mitglieder der IG -Metall-Jugend, der Jusos und SDAJ, ausgerüstet mit Zelt und Ketten, haben sich versammelt in Erwartung des städtischen Bauamtes, deren Abgesandte das Mahnmal im Auftrag der Stadt Oldenburg aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit entfernen sollen.
Entstanden war die Idee zur Denkmalssetzung in einem Bildungsseminar der IG-Metall-Jugend über Südafrika. Die TeilnehmerInnen hatten sich darauf geeinigt, sich nicht mit dem üblichen Maß an Entrüstung zufrieden zu geben, sondern ein deutliches Zeichen gegen die aktuellen Ausformungen von Rassismus und Ausländerfeindlichkeit im eigenen Land zu setzen. Die Form des Denkmals, das Ende 1987 aufgestellt wurde, erinnert an den Judenwinkel, die Farben an das friedliche Zusammenleben von Schwarz und Weiß. Auch mit dem Standort hat es seine besondere Bewandtnis: Vom Pferdemarkt nahmen die ersten großen Aufmärsche der NSDAP und SA ihren Ausgang, hier im Zentrum der ehemaligen Gau-Hauptstadt Oldenburg hatte Hitler gesprochen. Um die Ecke in der Donnerschweer Straße liegt die Kneipe, in der sich damals die Nazis getroffen haben und heute ihre Nachfolger tagen.
Die Gewerkschaftsjugend hatte darauf gesetzt, daß sich die sozialdemokratisch geführte Stadtregierung auf Dauer dem antifaschistischen Mahnmal nicht widersetzen würde. Doch damit hatte sie sich verrechnet. Schon wenige Tage nach der ersten Installierung ließ die Stadt abbauen und die Ratsmitglieder über das weitere Schicksal befinden. Die „erlaubten“ eine befristete Wiedererrichtung bis Ende 1988. Die Wahlerfolge der rechtsradikalen Parteien in Berlin und Frankfurt bescherten dem ungeliebten Blickfang eine Gnadenfrist bis Ende Mai.
Für Emanuel Malcke, den 2.Vorsitzenden des Ortsjugendausschusses der IG Metall, ist das Ganze ein politisches Trauerspiel. Angesichts der Aktivitäten von NPD und „Jungen Nationalen“ an Oldenburger Schulen, angesichts des rasanten Zuwachses von ausländerfeindlichen Graffiti, die er auch an seinem Arbeitsplatz bei der AEG beobachtet, und in Anbetracht der Drohungen und Übergriffe gegen türkische Jugendliche will er von der Stadt nun „politische Argumentationen“ hören und keine formalen Verweise auf die befristete Genehmigung. Zum Abbau sieht er keinen Anlaß, zumal sich das Denkmal allgemeiner Zustimmung erfreue und die große Unterstützung für die zunächst bis zum Wochenende geplante Mahnwache die DemonstrantInnen zusätzlich bestärke.
Wann die Stadt endgültig abreißen will, war am Freitag nicht zu erfahren. Daß sie abreißen will, steht außer Zweifel, so der SPD-Fraktionsvorsitzende Werner Rettig im Gespräch mit der taz. Rettig zeigte sich verärgert über den „Wortbruch“ der Gewerkschafter, die verbindliche Zusagen, „nach Ablauf der Frist selber abzubauen“, ständig brechen würden. Außerdem hätte die Stadt „für diesen Themenbereich einen eigenen Wettbewerb ausgeschrieben“. Das Mahnmal der IG Metall, so Rettig, „entspricht nicht unseren Vorstellungen. Etwas anderes als ein solches Dreieck aus schmiedeeisernem Zeug“ solle es schon sein. Auch die Möglichkeit, zwei Mahnmale in Oldenburg zu beheimaten, lehnte er ab. „Wir wollen“, sagte der Fraktionsvorsitzende, „ein Mahnmal errichten, das eine breite Akzeptanz sowohl im Rat als auch in der Bevölkerung genießt.“ Dieser Anforderung entspreche das Denkmal nicht.
Nutznießer dieses Disputes könnten vor allem die Rechten sein. Bereits am Mittwoch kreiste ein Lautsprecherwagen der DVU mehrmals um den Pferdemarkt und das bedrohte Mahnmal. Sichtlich vergnügt beschallten die Insassen die dort versammelten Denkmalschützer mit rassistischen Parolen und deutschem Liedgut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen