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Ungeheuer komplex

■ betr.: "Sommer 90: Heiß und trocken", und "Treibhaus konfus", taz vom 4.4.90

betr.: „Sommer '90: Heiß und trocken“ und „Treibhaus konfus“, taz vom 4.4.90

Das Klimasystem ist bekanntlich ungeheuer komplex: Die mehr oder weniger verschmutzte Atmosphäre gehört ebenso dazu, wie die Landmassen (z.T. noch bewaldet), die Ozeane (teils mit, teils ohne Ölfilm), Gletscher und Eisflächen - und dies alles noch ganz ungleichmäßig über den Globus verteilt.

(...) ...flößt der Wissenschaftler seinem Computer Meßreihen ein und erhält exakte Ergebnisse. Die Schwankungsperiode von 7.7 Jahren, die W. Röder vom Institut für Meteorologie der FU Berlin gefunden hat, ist ein solches exaktes Ergebnis. In den gängigen meteorogischen Nachschlagewerken findet man Tabellen mit über 100 solcher Perioden, dabei sind die '7,7 Jahre‘ noch gar nicht enthalten. Einige dieser Perioden kann man gut erklären (ein Tag, ein Jahr zum Beispiel), bei einigen anderen findet man Zusammenhänge zu den Eigenzeiten der Teilsysteme (vom „langsamen“ Land bis zur „schnellen“ Atmosphäre) und kann so für die eine oder andere Klimaschwankung wenigstens Ursachen vermuten - mehr auch nicht.

Die „exakten“ Rechenergebnisse zu Vorhersagen zu verwenden, ist reichlich unseriös. Wer die Temperaturreihe, die in der taz abgedruckt war, in 7,7-Jahresabschnitte einteilt, wird schnell sehen, daß das Wetter alsbald aus dem Takt kommt. Was bleibt, ist ein „gewisses“ Maß an Erhaltungsneigung (das heißt: Eine Vorhersage „Das Wetter bleibt, wie es ist“ ist besser als bloßes Würfeln). Vorhersagen, wie die von W. Röder, Produkte einer computergläubigen Wissenschaft, sollten dort bleiben, wo sie hingehören: auf dem Datenfriedhof oder im Ablagekörbchen der taz unter „Dies und das“.

Die Klimakatastrophe in diesen relativ kurzfristigen Schwankungen erkennen zu wollen, ist purer Unsinn. Die Katastrophe kommt schleichend (womit die Verbindung zum HK -Komplex wieder hergestellt ist). In den letzten 100 Jahren ist es bei uns um ein halbes bis ein Grad wärmer geworden, ein Temperaturanstieg, der nicht aus dem Rahmen fällt, wenn man sich die Klimageschichte anschaut. Dieser Anstieg ist in der Abbildung der taz nicht einmal zu erkennen: Er geht in den kurzfristigen Schwankungen unter. K. Hasselmann hat deshalb mit seinem Rat in dem Artikel „Treibhaus konfus“ recht, wenn er davor warnt, den Beweis für die Klimakatastrophe in Meßreihen zu suchen. Wenn sie dort erkennar wird, ist es zu spät.

Dr. Carl Freytag, München

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