■ Kommentar: Ungedanke
Was hat sich Jörg Kuhbier bloß dabei gedacht? Mal gucken, was das Volk so alles mit sich machen läßt? Testen, wie die Partei auf Ideen des neuen Chefs reagiert? Deutlich machen, daß es in der SPD keine Tabus und keine Denkverbote gibt?
Oder aber und viel schlimmer: Er hat gar nicht so recht nachgedacht, als er seine im Frühjahr bereits geäußerte Idee, Schulgeld und Unigebühren einzuführen, jetzt noch einmal aufs Tapet brachte. Einfach mal so einen provokanten Vorschlag ausgeworfen.
In der Wolle sozialdemokratisch gefärbt, schließlich sollen ja nur die Gutverdienenden für Bildung bezahlen. Was immer das im Detail bedeuten mag. Darüber mag er sich genauso wenig auslassen wie über die Frage, für welche Schulstufen Eltern blechen sollen.
Im Gegensatz zu diesen Unausgegorenheiten sind die Folgen ihrer Umsetzung unschwer zu benennen. Es dürfte kaum zu vermitteln sein, wieso gerade ein Grundgut der Demokratie etwas kosten soll, solange auf bundesdeutschen Autobahnen noch immer kostenlos gebrettert werden darf.
Denn klar ist: So ein Ungedanke ist in Zeiten, in denen um Jobs, Karrieren und Kinderversorgung erneut ein Geschlechterkampf entbrennt, vor allem ein Affront gegen die Frauen. Da würde es genug Eltern geben, die im Zweifel lieber dem Sohnemann die bessere Bildung zukommen lassen, die Investition in die Zukunft der Tochter scheuen, für die ja sowieso, wenn überhaupt, der schlechtere Arbeitsplatz bleibt, und die ja sowieso irgendwann die Kinder kriegt, für die es ja sowieso keine Kita-Plätze gibt.
Kommt frau doch irgendwie bekannt vor. Hatten wir alles schon mal. Unser Tip an den SPD-Chef: Noch mal nachdenken, und zwar richtig.
Claudia Hönck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen