Ungarischer Politiker mit falscher Biographie: Der jüdische Antisemit
Die Juden kaufen ganz Ungarn auf: Das predigte der Jobbik-Politiker Csanad Szegedi jahrelang. Nun erfuhr er, dass er von einer Auschwitz-Überlebenden abstammt.
Blöd gelaufen. Csanád Szegedi hatte seine steile Karriere in der faschistischen Jobbik Ungarns nicht zuletzt seinen scharfen antisemitischen Sprüchen zu verdanken. Mit nur 26 Jahren wurde er 2009 ins Europaparlament gewählt. Zwei Jahre vorher war er bei der Gründung der paramilitärischen Ungarischen Garde dabei, die später verboten wurde. Höhere Weihen in der Partei, die im ungarischen Parlament die drittgrößte Fraktion stellt, schienen nur eine Frage der Zeit.
Und jetzt das: Der Mann, der die Angst geschürt hatte, die Juden wollten das Land aufkaufen, um Israelis in Ungarn anzusiedeln, musste eingestehen, dass er eine jüdische Großmutter hatte. Nach jüdischem Recht macht das auch ihn zum Juden, auch wenn er im calvinistischen Glauben der Ungarischen Reformierten Kirche aufgezogen wurde.
Wann er erfahren hat, dass er von einer Auschwitz-Überlebenden abstammt, ist nicht ganz klar. Er selbst behauptet, er wisse es erst seit Juni. Eine Tonbandaufnahme spricht aber dafür, dass er das schon im Jahre 2010 wusste. Da konfrontierte ihn der verurteilte Waffenschieber und Rechtsextremist Zoltán Ambrus mit Beweisen. Szegedi verspricht ihm auf dem Mitschnitt Geld und einen Job im EU-Parlament, wenn er schweigt. Für den Chef einer rechtsextremen Wehrsportgruppe war das offenbar keine Option. Szegedi musste sich outen und wurde prompt von seiner Partei verstoßen. Nicht wegen der jüdischen Oma, wie es offiziell heißt, sondern wegen des Bestechungsversuchs.
Szegedi hatte schon vorher seine Biografie geschönt. Als Sohn ungarischer Eltern wurde er in Mexiko geboren. Auf der EU-Homepage gibt der gelernte Computeringenieur allerdings die ostungarische Provinzstadt Miskolc an. Klingt patriotischer.
Seine neue jüdische Identität hat bei dem Rechtsextremen offenbar ein Umdenken eingeleitet. Anfang August suchte er das Gespräch mit dem orthodoxen Rabbiner Slomó Köves und entschuldigte sich für seine antisemitischen Äußerungen. Köves beschreibt die Begegnung als „schwierig und spirituell angespannt“. Szegedi versprach ihm aber, er werde die Holocaust-Gedenkstätte in Auschwitz besuchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Die Wahrheit
Glückliches Jahr