Unfaires Spiel?: Betriebsrat nicht willkommen
Mitarbeiter von Independent Living protestieren gegen ihre Chefs, weil die den Betriebsrat nicht anerkennen - und offenbar Druck auf die Mitarbeiter ausüben.
Eigentlich gehört Independent Living zu den Guten: Der Zusammenschluss freier Träger aus der Kinder- und Jugendhilfe unterhält in Berlin zahlreiche Kindergärten, Jugendwohngruppen und ambulante Hilfen. Seine Mitarbeiter sind jedoch nicht alle mit ihrem Arbeitgeber zufrieden: Rund 25 MitarbeiterInnen protestierten am Dienstagmorgen vor dem Büro der Leitung. Sie werfen den Chefs Behinderung der Arbeit des im Mai 2008 gewählten Betriebsrats Hans Egetenmeier vor. Die Geschäftsführung hat die Betriebsratswahl mit der Begründung angefochten, dass es organisatorische Änderungen der Betriebsstruktur gegeben habe, durch die sich die Zuständigkeiten verändert hätten.
Für den zuständigen Ver.di-Gewerkschaftssekretär Stefan Thyroke sind solche betrieblichen Umstrukturierungen und Aufgliederungen gerade im Bereich der sozialen Träger ein häufiges Mittel, um sich unliebsame Betriebsräte vom Hals zu halten. Doch Thyroke wirft der Geschäftsführung von Independent Living nicht nur Behinderung des Betriebrats vor. So sei eine Mitarbeiterin gleich mit mehreren grundlosen und rechlich haltlosen Abmahnungen konfrontiert worden. Inzwischen habe die Mitarbeiterin die Kündigung erhalten, gegen die sie unterstützt von Ver.di gerichtlich vorgehen werde.
Nach Angaben des gewählten Betriebsrats Egetenmeier hat der Druck auf die MitarbeiterInnen schon Wirkung gezeigt. Zwei MitarbeiterInnen hätten bereits in den letzten Wochen gekündigt. Egetenmeier wirft der Geschäftsführung vor, seine Arbeit zu behindern. Kurz nach der Betriebsratwahl habe ihn die Geschäftsführung mit der Berufung auf ihr Hausrecht mit der Polizei an dem Besuch einer Betriebsversammlung hindern wollen. Die herbei gerufenen Beamten hätten sich allerdings für nicht zuständig erklärt.
Obwohl er bis zur arbeitsgerichtlichen Entscheidung über die Anfechtungsklage des Unternehmens am 24. Oktober seine Betriebsratsarbeit ausüben kann, habe er weder Einblick in die Finanzen noch in die Vorstandsarbeit bekommen, die ihm laut Betriebsverfassungsgesetz zustehen, so Egetenmeier.
Unterstützung aus der Politik bekommen die Mitarbeiter von Wolfgang Thierse (SPD), Vizepräsident des Bundestags und wohnhaft in Prenzlauer Berg. Der hat in einem Schreiben an den Vorstand des Sozialträgers darum gebeten, "das Anliegen der Belegschaft, nämlich die Schaffung einer funktionierenden Arbeitnehmervertretung, offen und konstruktiv zu begleiten und das Gespräch im Sinne einer für alle annehmbaren Lösung nicht zu verweigern".
Eine Stellungnahme der Geschäftsführung von Independent Living zu den Vorwürfen lag bis Redaktionsschluss nicht vor.
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