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Unerwünschter Nazi

Deutsche Justiz hat offenbar wenig Interesse an dem KZ-Täter Malloth / In Meran in „überwachter Freiheit“  ■  Von Hartung und Raith

Berlin/Rom (taz) - Eine der mit namenlosen Grauen behafteten Gestalten aus der NS-Zeit ist wieder aufgetaucht: Anton Malloth, im Lagerjargon des KZ-Theresienstadt der „schöne Toni“ genannt. Er gehörte zur SS-Wachmannschaft der sogenannten „Kleinen Festung“, der Vernichtungsstätte des tschechischen Widerstandes. Von einem ehemaligen Häftling, Karel Sterba, gibt es die Aussage, er habe „aus reiner Lust gemordet“. Malloth ist in Italien, in Meran aufgetaucht. Im Hause seiner Frau befindet er sich in „überwachter Freiheit“.

Aber ob die „überwachte Freiheit“ den 76jährigen Mann sehr beunruhigen muß, steht dahin. Denn schon gibt es wieder die Zweideutigkeiten und Widersprüche der Justizbehörden, die Malloth offenbar in seiner ganzen Nachkriegsgeschichte weidlich genutzt hat. Seine Staatsangehörigkeit ist offiziell ungeklärt. Die Italiener wollen ihn loswerden. „Wir geben den jedem, der einen Rechtstitel gegen ihn hat“, sagt fast schon händeringend der Sprecher des italienischen Justizministeriums. „Nur: keiner hat einen. Wir haben die Deutschen, die UdSSR, die Österreicher gefragt - nichts, absolut nichts. Das höchste Vergehen, das wir ihm im Fortsetzung auf Seite 2

Augenblick vorwerfen können, ist illegaler Aufenthalt in Italien.“ Aber das ist nicht strafbar. Es gibt zwei rechtskräftige Urteile gegen Malloth: 14 Monate Haft in Österreich, die er auch absaß, und ein Todesurteil in der CSSR, das in seiner Abwesenheit erging. Allerdings gibt es zwischen Italien und der CSSR kein Auslieferungsabkommen, und Italien liefert grundsätzlich nicht aus in ein Land, wo die Todesstrafe noch gilt. Nun will Italien Malloth, einen gebürtigen Südtiroler, in die BRD abschieben, falls kein Auslieferungsbegehren gestellt wird. Er gilt in Italien seit 1969 als „unerwünschte Person“.

Aber er scheint auch in Österreich und der BRD nicht erwünscht zu sein. Es gab Verfahren gegen Malloth in Innsbruck, Graz und Dortmund, die „wegen Abwesenheit“ eingestellt wurden. Der Oberstaatsanwalt von der Dortmunder Zentralstelle für NS-Verbrechen, Klaus Schacht, verwies auf das „uralte Verfahren“ (1970) und darauf, daß man schon lange wisse, daß Malloths Anlaufstelle in Meran sei. Aber ein Auslieferungsbegehren könne nicht gestellt werden, da „kein dringender Tatverdacht“ vorliege beziehungsweise Zeugenaussagen einen solchen „dringenden Tatverdacht“ nicht rechtfertigen würden. Die Frage, ob man Kontakt mit Simon Wiesenthal aufgenommen habe, der Malloth jetzt wieder wegen Kriegsverbrechen beschuldigt hatte, verneinte Schacht. Man warte darauf, daß das Jüdische Dokumentationszentrum in Wien sich melde. Schacht hält sich aber bereit, nach Südtirol zur Vernehmung zu reisen, falls der Aufenthaltsort Malloths bekannt sei.

Daß kein „dringender Tatverdacht“ vorliegt, findet hingegen der Oberstaatsanwalt Striem von der Ludwigsburger Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen „ein bißchen witzig“. Schließlich gebe es seit 1970 ein Fahndungsersuchen, das ja einen solchen Tatverdacht voraussetze. Klaus Schacht wiederum widerspricht: Ein „Suchvermerk“ habe keine solche Voraussetzung. Alfred Striem seinerseits ruft die italienischen Behörden auf, die Staatsbürgerschaft von Malloth zu klären. Ein etwas merkwürdiges Begehren, weil nach einer Information von Simon Wiesenthal von 1970 Malloth bei einem deutschen Konsulat in Italien einen deutschen Paß beantragt und erhalten haben soll. Bleibt abzuwarten, ob aus Malloths „überwachter Freiheit“ nicht die Masche wird, aus der er wieder entschwindet.

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