Unerlaubte Videoüberwachung: Polizei muss ihre Neugier zügeln

Die Polizei fängt sich eine Rüge des Datenschutzbeauftragten. Sie hatte die Nachbarschaft der "Liebig14" per Kamera ausgespäht.

Beweisfoto vom Sommer: Polizei sieht zu. Bild: Archiv

Kleine Kamera, große Folgen: Berlins Datenschutzbeauftragter Alexander Dix hat die Video-Observation von Nachbargebäuden des Exhausprojekts Liebig14 als rechtswidrig beanstandet. Bis zum heutigen Montag muss Innensenator Frank Henkel (CDU) dazu Stellung nehmen. Die Grünen wollen die Spähaktion vor den Innenausschuss bringen.

Im Juli hatte die taz bekannt gemacht, dass die Polizei tagelang das Anfang Februar geräumte Haus in der Friedrichshainer Liebigstraße 14 sowie Nachbarhäuser verdeckt filmte. Bewohner des alternativen Hausprojekts Rigaer94 hatten die Geräte bemerkt. Aufgestellt waren sie hinter Dachfenstern der benachbarten Justus-von-Liebig-Grundschule - bis die taz bei der Polizei nachfragte. Man habe Straftaten gegen das Haus abwenden wollen, begründete die Behörde die Überwachung. Es seien nur Dächer, keine Wohnbereiche gefilmt worden. Zuvor hatten Unbekannte das Haus wiederholt mit Steinen beworfen und einen Brand gelegt.

Bereits am 23. November rügte der Datenschutzbeauftragte in einem Schreiben an die Senatsinnenverwaltung die Maßnahme. "Es sollte die Identität Unbeteiligter festgestellt werden, bei denen gar keine Anhaltspunkte vorlagen, dass sie Straftaten begehen würden", kritisiert Dix. Auch sei der Einsatz gesetzlich nicht gedeckt gewesen: Begründet hatte die Polizei die Maßnahme mit der Verhinderung von Straftaten, in der Praxis zielte sie aber darauf, etwaige neue Täter zu fassen. Laut Dix ließ man die Kamera einfach permanent laufen, um die Bilder gegebenenfalls nachträglich auszuwerten. "Das ist aber nicht mehr von den Gesetzesparagrafen gedeckt, die die Polizei angibt." Für eine längerfristige Observation - eine Option, die die Strafprozessordnung vorsieht - habe keine richterliche Anordnung vorgelegen.

Der Datenschutzbeauftragte erkennt hier einen "erheblichen" Verstoß. Dix hat dem Innensenator eine Frist bis heute eingeräumt, sich dazu zu äußern. Henkels Sprecher sagte, es werde eine fristgerechte Antwort geben. Die werde aber "dem Empfänger unmittelbar zugestellt, nicht über die Medien". Die Polizei ließ eine Anfrage unbeantwortet.

Die Grünen kündigten an, den Vorgang im Innenausschuss zu thematisieren. "Es zeigt, wie wenig hier Bürgerrechte manchmal wert sind", monierte die Abgeordnete Canan Bayram. Dix Rüge überrasche sie nicht, die Unrechtmäßigkeit sei offensichtlich. Bayram wertete den Fall als Aktionismus gegen links.

Kritik übt auch die Linkspartei. "Unbeteiligte unter Generalverdacht abzufilmen bleibt eine Schweinerei", so die Friedrichshainer Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak. Sie empfahl Anwohnern, Klagen auf Schadenersatz zu prüfen.

Der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), ermahnte die Polizei, ähnliche Aktionen künftig zu unterlassen: "Ich bin auf Henkels Einlassung gespannt."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.