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Und immer wieder Titten

■ Der als lupenreiner Vorstädter gestylte Bürger Lars Dietrich wortwitzt mit Stefan Raab manch müde Zweideutigkeit

„Meinetwegen auch Titten“. Schön ist die Vorstellung, daß dieser Passus Bestandteil des Vertragswerks zwischen Bürger Lars Dietrich und seiner Plattenfirma eastwest war. Und abschließend noch ein schönes „Mir ist das wirklich alles egal“. Man staunt ob der umfassenden Schamlosigkeit, die die Werke von Herrn Dietrich auszeichnet. Als lupenreiner Vorstädter gestylt, blödrappt er müde Zweideutigkeiten; Mike Krüger in die Großraumdisco übersetzt quasi.

Dietrich ist einer dieser typischen „Ex-DDR“-Profis. Ob Schwimmweltmeister, Schuppenshampooboxer, Verkehrsminister oder HipHopper, unangenehm zielstrebig werden ästhetische Prinzipien negiert. Bürger Lars Dietrich macht natürlich alles richtig falsch. Da muß er durch. Da muß er sich von seiner Plattenfirma als „Mann aus Berlin, der wortgewandte Rapper“ bezeichnen lassen. Muß Stefan Raabs joviales „Der Junge kann ja tatsächlich was“ ertragen und treudoof beteuern: „Ich denke eben in Wort- und Sprachklängen, in Reimen und Rhythmus.“

Bürger Lars Dietrich muß viel ertragen und ist dabei nur schwer erträglich. Er ist ein Live-As, ein Studiokönner und ehemaliger Tänzer und Stuntman. Und denkt rhythmisch, weiß die Plattenfirma, die auch weiß: Nummer sicher, den Ossi lassen wir vollaufen mit Proficreme. Und hauen ihm auch noch die definitive Kabarettisten-Totschlagqualifikation rein. Ja, tatsächlich, er „geizt nicht mit Wortwitz: Ich bring dich um – den Verstand.“ Nicht gerade geizig, nein, mit vollen Händen aus dem Fenster geworfen und verpraßt, den Wortwitz. Und immer wieder Titten.

Mit dem würdelosen Jürgen Drews und dem mit Wortwitz ebenfalls recht spendablen Stefan Raab mußte Dietrich „Ein Bett im Kornfeld“ reanimieren, wobei er rhythmisch „Wenn dir im Kornfeld ein Horn schwellt“, dachte, reimte, sprachklangte. Im Video Titten. „Sexy Eis“ war ein Sommerhit. Der Rhythmus schrieb es vor, Dietrich trifft keine Schuld: „Ich kann einfach nicht anders, als bei 'Eyes' erstmal 'Eis' vor meinen Augen zu sehen.“ Okay Ossi, das ist peinlich genug. Die Eisverkäuferin im Video hat beim Wort „Tüte“ gerade ihre Titten im Bild.

„Wenn Ruhe seine erste Pflicht wäre, trüge Lars Dietrich seinen zweiten Namen Bürger zu Unrecht“, geizt die Plattenfirma mit Witz. Und verschweigt: Die erste Pflicht sind Titten. Die neue Platte von Herrn Dietrich heißt Dicke Dinger. Benjamin v. Stuckrad-Barre Sa, 14. 12. , 21 Uhr, Große Freiheit

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