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„Und gehst du nicht freiwillig, so brauch' ich Staats-Gewalt

■ betr.: „Washington kritisiert Bonn in der Flüchtlingsfrage“, taz vom 7. 8. 98

Natürlich haben Schlee und Kanther formaljuristisch recht, wenn sie behaupten, die meisten Bosnienflüchtlinge gingen freiwillig zurück.

Doch was ist daran freiwillig, wenn fast allen Flüchtlingen Ausreiseaufforderungen und Abschiebeandrohungen ins Haus flattern. Wenn Duldungen nicht mehr verlängert werden und wenn auf den Ausländerämtern im persönlichen Gespräch und in vorformulierten Standardschreiben damit gedroht wird, daß die Familie nachts von der Polizei geholt wird. Außerdem hat, wer sich abschieben läßt, mit einem Einreiseverbot von mindestens fünf Jahren zu rechnen und muß die Kosten der Abschiebung selbst tragen.

Diesem Druck halten die meisten Menschen nicht stand, viele werden psychisch krank, viele gehen „freiwillig“.

[...] Die Rückkehr – die meisten wollen ja langfristig zurück – kommt einfach viel zu früh. Und da die „Republik Srpska“ faktisch Nichtserben weiterhin verschlossen ist, zementiert der Rückkehrdruck die ethnische Teilung.

Es wird immer von den Kosten gesprochen. Die meisten bosnischen Flüchtlinge arbeiten, zahlen Steuern und Sozialabgaben. Kosten bei Gerichten und Ausländerverwaltungen verursacht vor allem die bürokratische Schaffung und Aufrechterhaltung des Drucks, um eine „freiwillige“ Ausreise zu erzwingen. Jörg Schmidt-Rohr, Jurist und

Flüchtlingsberater, Mannheim

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