: Und ewig gräbt der Bagger
Braunkohle ist der größte Klimakiller im Land Nordrhein-Westfalen. Dennoch wird der fossile Energieträger im rheinischen Revier weiter abgebaut. Die Düsseldorfer Politik will es so
VON KLAUS JANSEN UND MARTIN TEIGELER
Im rheinischen Braunkohlerevier gehen die Dinge ihren geregelten Gang. „Gestern hab ich den ersten Spatenstich für das erste Haus im neuen Immerath gemacht“, sagt Peter Jansen. Der CDU-Bürgermeister von Erkelenz hat sich damit abgefunden, Land an die Braunkohlebagger zu verlieren. „Emotional ist das eine Belastung für die Menschen. Aber es ist halt so“, sagt er. Bis zum Jahr 2017 muss die Umsiedlung des Ortsteils Immerath abgeschlossen sein, den benachbarten Dörfern Pesch, Lützerath und Borschemich geht es genauso. Die 45.000-Einwohner-Kommune Erkelenz wird durch den neuen Tagebau Garzweiler II ein Drittel des Stadtgebietes verlieren.
Garzweiler II ist noch immer das Symbol für die Auseinandersetzung um die Braunkohle in Nordrhein-Westfalen. Die alte rot-grüne Landesregierung wäre fast daran zerbrochen, unter Schwarz-Gelb war der Start im vergangenen Jahr nur noch eine Randnotiz. Es ist ruhig geworden um die Braunkohle. Dabei zerstört der Abbau nicht nur die Städte im rheinischen Revier, sondern vor allem das Klima: Die vier großen Braunkohle-Kraftwerke in der Region stoßen zusammen rund 90 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr aus. Auf Satellitenbildern schimmert das Revier rötlich. „Die Braunkohle ist der schlimmste CO2-Verursacher“, sagt ein Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz. Den Berechnungen des Verbandes zufolge ist der fossile Energieträger für 30 Prozent des Kohlendioxid-Ausstoß in NRW verantwortlich.
Das hat offenbar auch Bundesumweltminister Sigmar Gabriel erkannt. Als erster namhafter Politiker seiner Partei überhaupt legt sich der Sozialdemokrat mit dem mächtigen Stromkonzern RWE an, der den Rohstoff fördert. Gabriel will das so genannte Braunkohleprivileg beim Emissionshandel kippen, das den Kraftwerksbetreibern kostenlose Zertifikate sichert und ihnen so einen Wettbewerbsvorteil etwa gegenüber der Steinkohle verschafft. Die EU sieht das ähnlich, im Energieland NRW stößt Gabriel damit aber auf Unverständnis: Klimaschutz sei nur „zu fairen Bedingungen“ zu haben, wettert etwa CDU-Wirtschaftsministerin Christa Thoben. Die Kraftwerksbetreiber sprechen gar von einer „Kriegserklärung für die Branche“.
Selbst Parteifreunde Gabriels fordern Korrekturen: „Was da bisher vorliegt, ist ja nur ein Referentenentwurf“, sagt NRW-SPD-Energieexperte Norbert Römer. Der Bergbaugewerkschafter fordert „mehr Hilfe und Anreize“ für die Braunkohle. Investitionen in neue Kraftwerke seien gefährdet, wenn der Bund bei seinen Plänen bleibe. Römer bewegt sich damit auf der Linie, der seine Partei seit Jahrzehnten folgt: Braunkohle gut, Arbeitsplätze gut, das Weltklima kommt etwas später.
Insgeheim hoffen die Genossen, dass Sigmar Gabriel ähnlich tickt. Auch Umweltschützer misstrauen dem Minister. Ein BUND-Sprecher: „Als Gabriel vom Weltklimagipfel in Nairobi zurückgekehrt ist, hat er am Tag danach ein neues Kohlekraftwerk eröffnet.“