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Archiv-Artikel

Und es wird doch sortiert

Enquetekommission Schule: SPD einigt sich mit CDU auf Zwei-Säulen-System. Neue Tests in Klasse 4 und Aussortieren der schwachen Gymnasialschüler in Klasse 6 geplant. Nur GAL will Schule für alle

Von Kaija Kutter

Als am 2. Dezember die SPD einen Parteitagsbeschluss zur Schulstruktur fällte, gab es zwei Lesarten. Die eine: Die Partei schreibt nur formal „eine Schule für alle“ als Ziel ins Programm, möchte aber tatsächlich mit der CDU das Zwei-Säulen-Modell aus Gymnasium und Stadtteilschule einführen. Die andere: Die SPD plant wirklich eine „Schule für alle“ ohne frühe Auslese und sieht das Zwei-Säulen-Modell nur als „ersten Schritt“ dorthin.

Nachdem nun am Samstag die Schul-Enquete-Kommission der Bürgerschaft tagte, ist klar, dass die erste Lesart eher zutrifft. Die SPD-Abgeordnete Britta Ernst wich in ihrem Referat über die Vorstellungen der SPD-Gruppe in der Enquete-Kommission in drei Punkten vom Parteitag ab. Unter anderem sollen die neuen Stadtteilschulen „in der Regel“ aus „Haupt-, Real- und Gesamtschulen“ entstehen. Die Gymnasien können einbezogen werden. Im Parteitagsbeschluss wurden Gesamtschulen und Gymnasien noch in einem Atemzug als zu integrierende Systeme genannt.

Ernsts Modell passt also gut mit dem bereits am Donnerstag von dem CDU-Politiker Robert Heinemann vorgestellten Zwei-Säulen-Modell zusammen, das die Gymnasien außen vor lässt (taz berichtete). Nach seinen Plänen soll zwar auch an der Stadtteilschule ein Abitur möglich sein. Dieses soll aber „eher praxisorientiert“ sein. Das Abitur am Gymnasium wäre anspruchsvoller: Es soll „wissenschaftsorientiert“ sein und schon nach acht Jahren abgelegt werden. „Wenn wir nichts tun, besuchen 60 Prozent das Gymnasium und 40 Prozent die Gesamtschule“, sagte der CDU-Experte Reinhard Behrens. Es sei deshalb gut, wenn Gymnasien „anspruchsvoller und temporeicher“ würden.

Heinemann will bekanntlich in der 4. Klasse Tests einführen, um die Verteilung der Schüler in beide Säulen „wissenschaftlich fundiert“ vorzunehmen. Die SPD hatte im Gegensatz dazu beschlossen, die offizielle Laufbahnempfehlung ganz abzuschaffen und durch eine Elternberatung zu ersetzen. Dieser Beschluss wird jetzt konterkariert. So überraschte Ernst mit der Ankündigung, dass sie in der 4. Klasse „kompetenzorientierte Lernstandserhebungen“ einführen will, um Eltern besser bei der Schulentscheidung beraten zu können. Auch ein Aussortieren der Schüler, die aufs Gymnasium gehen, nach Klasse 6 durch eine „Entscheidung der Zeugniskonferenz“ ist nun mit der SPD machbar. Auf dem Parteitag hieß es, Kinder dürften nur noch „im Einvernehmen“ mit den Eltern von der Schule geschickt werden.

Der für die SPD entsandte Experte Reiner Lehberger erklärte, warum diese Schritte nötig seien: „Öffnen wir das Gymnasium für alle Kinder, dürften wir damit die Stadtteilschule schwächen.“ Diese dürfe nicht zur „Minderheitenschule“ werden und bräuchte 60 Prozent der Schüler. Derzeit streben 50 Prozent zum Gymnasium.

Die Stadtteilschule werde auch so „zur Restschule“, warnte die GAL-Politikerin Christa Goetsch und sprach sich gegen die geplanten Test und die dahinter stehende Theorie zweier Begabungen aus: „Wer sagt denn, ob ein Kind mit zehn Jahren eher wissenschaftlich oder praktisch begabt ist, schneller oder langsamer lernt?“ International üblich sei, von einem „dynamischen Begabungsbegriff“ auszugehen.

Goetsch entwarf als Einzige in ihrem Vortrag ein Szenario für eine „Schule für alle“. Nach einer „Lehrerfortbildungsoffensive“ könnten ab 2010 die ersten 5. Klassen zusammenbleiben.

Als „Zielperspektive“ wolle sie die „Schule für alle“ auch, sagte Britta Ernst und fragte Robert Heinemann, warum er sich dem nicht anschließen könne. „Man sollte mutig sein, aber nicht übermütig“, antwortete dieser. Die heutigen Lehrer kämen mit so einer Schule nicht zurecht. Er schließe aber nicht aus, dass er das „in 20 Jahren anders sieht“.