: Und es gab ihn doch: den echten Nikolaus
■ Ein Historiker will seine direkte Abstammung von dem Mann mit dem roten Mantel beweisen
Kajaani/Nordfinnland (taz) Der aus Helsinki stammende Historiker Ior Bock (48) hat einen sehr erlesenen Stammbaum: er behauptet nämlich, in direkter Linie vom echten Nikolaus abzustammen. Und gegenwärtig ist er sogar dabei, diese ungeheuerliche Behauptung zu beweisen. In Finnland glaubt jede und jeder, daß der Nikolaus von einem Berg namens Corvatunturi kommt, der nach wie vor an der finnisch-sowjetischen Grenze zu finden ist.
Bock erzählt in Zeitungsartikeln und in Radiosendungen, daß seine Familie direkt von den Asen, einer Art nordischer Aboriginals, abstamme, in den Kriegswirren der nordischen Kreuzzüge von Ostschweden aus nach Lappland geflohen sei.
Dort habe sein Urahn, eben jener mit dem roten Mantel und dem weißen Bart, sich auf den Berg Corvatunturi zurückgezogen, um zum 6. Dezember herunterzusteigen und die Menschen mit Symbolen und Geschenken an die alte heidnische Zeit zu erinnern. Bei ihrer Flucht aus Südfinnland habe die Familie einen 288 Kilogramm schweren goldenen Ziegenbock mit nach Lappland genommen und ihn dort im Schloß von Kajaani, 600 Kilometer nördlich von Helsinki, an der tiefsten Stelle des Felsens vergraben.
Vor einem Monat zog Ior Bock mit einem Team von Geophysikern und einem Metalldetektor zur Burgruine von Kajaani. Der Detektor lokalisierte ein großes Stück Metall in fünf Meter Tiefe. Die staatlichen Museumswerke indes ignorierten alle Eingaben des Eigenbrötlers Bock, sein Erbe zu heben, das dort, gemeinsam mit den Insignien des Königs der Asen, vergraben sein soll. Nachdem sich der Chefredakteur der Lokalzeitung hinter die Geschichtsauffassung Bocks stellte, kam es zu einer Bürgerdemonstration, bei der 150 Bockanhänger mit einem hölzernen Ziegenbock zur Schloßruine liefen und lauthals forderten, die Artefakte der Bockfamilie aus der Frühgeschichte zu heben. Selbst eine Petition an den finnischen Staatspräsidenten blieb bislang unbeantwortet.
Der Ururenkel des letzten Weihnachtsmannes läßt sich davon aber nicht beirren. Ior Bock ist zuversichtlich, spätestens im nächsten Jahr auch außerhalb Skandinaviens mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit treten zu können, die in Insiderkreisen als das seit langem fehlende Glied der nordischen Mythologie betrachtet wird. Inzwischen hat sogar der schwedische König eine Privataudienz bei Ior Bock genommen, um Auskunft über die Herkunft der nordischen Könige zu bekommen, deren Geschichte weit vor der gerade zu Ende gehenden Eiszeit beginnen soll. Udo Schneider
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