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Archiv-Artikel

Unbelehrbare Schafe und Esel

Aufmarsch von Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet gegen die Wehrmachtsausstellung in Hamburg provoziert Gegendemonstration von rund 4.000 Menschen. Polizei zeigt „Null Toleranz“ und geht brutal gegen Protestler vor

„Ich hätte nie gedacht, dass mir die Polizei das Wort abschneiden würde.“

Aus Hamburg Peter Müller und Andreas Speit

Ausnahmezustand am Sonnabend im Hamburger Stadtteil Winterhude: Etwa 1.000 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet waren in der Elbmetropole eingetroffen, um gegen die gehasste „Schandaussstellung“ über die Deutsche Wehrmacht des Instituts für Sozialforschung in den Kampnagel-Hallen zu marschieren. Mit massiven Schlagstock- und Wasserwerfereinsätzen löste die Polizei eine antifaschistische Gegendemo mit mehr als 4.000 Teilnehmern auf. „Die Einsatzkräfte sind mit selbstgebastelten Feuerwerkskörpern beschossen worden“, versuchte ein Einsatzführer das harsche Vorgehen gegenüber der taz zu rechtfertigen. „Die Werfer gehörten zu keiner bekannten Gruppe. Es wäre nicht das erste Mal, dass solche agents provocateurs staatliches Salär beziehen“, erklärten hingegen die Veranstalter.

Zum Protest hatten von der Antifa über ASten bis zu Gewerkschaften aufgerufen. Dass es unter den Antifaschisten Provokateure gab, hatte sich früh gezeigt: Eine autonome Gruppe „Antideutscher“ versuchte sich mit Israel-Fahnen an die Demospitze zu mogeln. Als es Unmut darüber gab, prügelten sie um sich.

Derweil scheute die Polizei keine logistischen Mühen, dem braunen Mob den Marsch des „Aktionsbüros Norddeutschlands“ ins Ex-Arbeiterviertel „Jarrestadt“ zu ermöglichen. So wurden zwei Hochbahn-Sonderzüge bereitgestellt und sonstiger öffentlicher Verkehr stillgelegt.

Während des kurzen Naziaufmarsches in die „Jarrestadt“ – angeführt von der Kameradschaft Nordheim und der NPD Hannover – herrschte eine gereizte Stimmung: Mehrere Male griffen Nazischläger protestierende Anwohner an, die Banner entrollt hatten: „Nazis raus aus der Jarrestadt“. Die Polizei musste mehrfach dazwischengehen, bis sie den Aufmarsch vor den Kampnagel-Hallen stoppte. Da fast alle Reden wegen der lauten Proteste nicht zu hören waren, posierten Neonazis medienwirksam nach dem Vorbild ihres Idols Michael Kühnen mit Esel- und Schafsmasken: „Ich bin ein Esel, weil ich immer noch glaube, dass die Deutsche Wehrmacht Verbrechen begangen hat.“

Wenige hundert Meter Luftline entfernt ging es derweil auf der parallel verlaufenden Antifa-Demo chaotisch zu. Kaum hatte der Marsch von 4.000 Menschen unter dem Motto „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ den Abschlusskundgebungsplatz erreicht, setzte die Polizei Wasserwerfer ein. Einige der Teilnehmer wurden von den Fontänen der sechs Wasserwerfer umgeschossen. Viele versuchten sich in Hauseingängen zu schützen, andere stemmten sich gegen die Wassermassen.

Den Versuch der Ausschwitz-Überlebenden Esther Bejarano, mit einer Rede zu schlichten, verhinderte jedoch die Polizei. Einsatzkräfte stürmten zum Lautsprecherwagen und beschlagnahmten das Stromaggregat. „Ich hätte nie gedacht“, empörte sich Bejarano, „dass mir die Polizei das Wort abschneiden würde“. Immer wieder richtete die Polizei die Wasserwerfer auf die Kundgebung und drängte die Teilnehmer zurück. Kaum stoppte der Wasserbeschuss, liefen Einsatzkräfte auf die überwiegend jugendlichen Demonstranten zu, schlugen mit Schlagstöcken auf sie ein, versprühten Pfefferspray und griffen einzelne Personen heraus.

„Wir fordern die Polizeiführung auf, sofort mit dem Einsatz aufzuhören. Wir ziehen uns zurück“, bot die Demonstrationsleitung mehrmals vergeblich mit Hilfe der zweiten, noch intakten Lautsprecheranlage an. Die Polizeieinsatzleitung nahm das Angebot jedoch nicht an.

Als stattdessen die Wasserwerfer wieder angeworfen wurden und Beamte erneut auf Demonstranten einzuschlagen begannen, warfen diese Straßenabsperrungen, Verkehrsschilder, Mülltonnen und Bauschutt auf die Straße. Einige Polizisten setzten daraufhin nur zögerlich die Befehle um, die Demonstranten wegzutreiben und die Straße freizuräumen. „Los jetzt!“, musste ein Einsatzleiter des Öfteren seinen Zug auffordern.

Die Veranstalter der Demo kündigten an, gegen die für den massiven Polizeieinsatz Verantwortlichen rechtliche Schritte einzuleiten.

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